Proteste gegen CSDs "Uns hat die Situation in Bautzen nicht überrascht"
Christopher Street Days sind für queere Menschen auch in kleineren Orten eine Möglichkeit, sich und ihre Anliegen in der Öffentlichkeit zu zeigen. Doch in Ostdeutschland machen Rechtsextreme immer stärker Stimmung gegen sie.
"Ich hatte ein mulmiges Gefühl. Auch, als ich dann auf der Parade war und es eigentlich hätte schön sein sollen", sagt Tamara, eine Besucherin des Christopher Street Day in Leipzig. Und damit ist sie nicht alleine.
Grund dafür waren rechte Gruppen, die mit Störungen drohten und am Hauptbahnhof mit Reichskriegsflaggen aufliefen. Die angemeldete rechte Gegendemo wurde noch im Bahnhof abgebrochen.
Hass und Gewaltpotenzial nehmen zu
"Hassnachrichten gegen queere Menschen nehmen im Internet immer mehr zu, das haben wir in den letzten Jahren bemerkt", sagt Jasmin Gräwel. Sie ist Pressesprecherin und Vorstandsmitglied des CSD in Leipzig. "Aber dass diese Ablehnung dann auch so massiv auf die Straße gebracht wird, das gab es bisher so auch noch nicht bei uns." Die Videos vom Rande des CSD in Bautzen haben das Organisationsteam in Leipzig beunruhigt. Eines dieser Videos zeigt, wie eine Regenbogen-Flagge angezündet wird.
Die Menschen, die zum CSD kommen möchten, sollen deshalb vorsichtig sein, aufeinander aufpassen, in Gruppen und möglichst nicht alleine anreisen. Queere Menschen und Menschen mit Migrationsgeschichte seien die ausgesuchten Ziele der Rechten. Manche entscheiden sich deshalb erst gar nicht, zu den Demonstrationen und Paraden zu fahren. Das kann Gräwel verstehen: "Die Sicherheit von allen Teilnehmenden steht immer im Vordergrund."
Reichskriegsflaggen, Springerstiefel und Parolen in Leipzig
Vor allem im Umland, aber auch in Leipzig, werden die Paraden durch das Stören von rechten Gruppen zum Gegenteil eines "Safe Space" für Queers, sagt Tamara. Sie war beim CSD in Leipzig dabei, sogar zur Gegen-Gegendemo, sagt sie. "Am Bahnhof rieten uns zwei Polizisten, dass wir da besser nicht reingehen sollen", erinnert sie sich. Sie und ihre Begleitung tun es trotzdem, sie möchten auf Toilette gehen. Genau dorthin werden auch Teilnehmer der rechten Demogruppe "von der Polizei eskortiert", wie sie sagt.
Im Leipziger Bahnhof hallen dabei Gesänge und Sprechchöre durch die Kuppelhallen: "Ost-Ost-Ost-Deutschland" und "Ganz Deutschland hasst den CSD!" dröhnt bis zu ihnen herüber. Einige der eingekesselten Rechten zeigen das "White-Power"-Zeichen mit ihren Fingern. Es ist ein Meer schwarzer Shirts, Sonnenbrillen, Glatzen und Springerstiefel. Über den Köpfen der rund 400 Gegendemonstranten wird die Reichskriegsflagge geschwungen.
Teilnehmer einer rechtsextremen Versammlung im Leipziger Hauptbahnhof
Vereinzelte Übergriffe nach der Parade in Leipzig
Die Erzählung von Tamara passt dazu, was Reporter von den Neonazis am Bahnhof berichten und was auf Instagram und Nachrichtenseiten geteilte Videos zeigen. Jasmin Gräwel sagt: "Das sind Bilder, die Angst machen. Sich da so zu platzieren, am Hauptbahnhof, ist sehr, sehr schwierig gewesen für die Menschen, die von außerhalb zu uns zum CSD kommen." Das junge Alter der Demonstranten im Polizeikessel habe sie erstaunt, teilweise seien es Teenager gewesen.
Noch bevor die Parade auf den Straßen Leipzigs offiziell startet, verteilen sich die Videos und Bilder im Internet. Leipzig wird in Kommentaren beglückwünscht, eine Polizei zu haben, die wegen Verhetzung eingegriffen habe. Die rund 400 Gegendemonstranten mussten wieder abfahren. Der CSD konnte stattfinden. Angstfrei war es für Tamara trotzdem nicht: "Ich habe die ganze Zeit den Ticker im Auge behalten. Kleinere Nazi-Gruppen haben sich dann doch in die Stadt abgesetzt. Und das hat mir schon Angst gemacht", sagt die 30-Jährige.
Es soll vereinzelt Übergriffe von Neonazis auf Teilnehmerinnen und Teilnehmer beim CSD in Leipzig gegeben haben. Das habe man aus den sozialen Netzwerken erfahren. Von offizieller Seite habe man nichts dahingehend gehört, sagt Gräwel: "Ich kann den Menschen, die davon betroffen sind, nur sagen, sich an die Behörden zu wenden und das Ganze zu melden, sofern ihnen das möglich ist."
Veranstalter: "Müssen wohl mit mehr Polizeipräsenz leben"
Man frage sich, wie in Zukunft mit dieser Entwicklung umzugehen sei, sagt die Leipziger CSD-Sprecherin Gräwel. Ob man jetzt damit leben müsse, dass mehr Polizeipräsenz nötig ist? "Das könnte so sein. Denn es ist ja nicht nur eine Feier, es ist auch eine Demonstration und es geht hier um was." Ideal sei es aber nicht.
Eine sichtbare Polizei beim CSD sei nicht angenehm, bestätigt auch Sam, die als Lehrerin arbeitet und seit Jahren auf Christopher Street Days in Sachsen geht. Eine verstärkte Polizeipräsenz wäre für einige ein Grund, nicht zu kommen, vermutet sie. "Bei Stonewall und bei CSDs geht es schließlich auch um die Repression durch die Polizei gegen queere und trans Menschen", sagt sie. "Aber in Leipzig hat die Polizei ihren Job gut gemacht und uns geschützt. Zum Glück."
Aufrufe für kleinere Städte und Gemeinden
Prominente Tiktoker wie Saskia Michalski rufen unterdessen dazu auf, die queere Gemeinschaft in kleineren Städten und Gemeinden, wie zum Beispiel in Zwickau, zu unterstützen. Fahrgemeinschaften und Shuttle-Busse sollen Menschen sicher zur Demo bringen. Auch Sam überlegt, zu einem der entlegenen Christopher Street Days zu fahren. Im ländlichen Gebiet sichtbar zu sein und zu bleiben, sei von großer Bedeutung. "Leipzig nimmt Platz" wird im Umland beim CSD in Zeitz am kommenden Samstag unterstützen.