
Reaktionen auf Trumps Ukraine-Politik Das Ende alter Gewissheiten
Der Ukraine-Kurs von US-Präsident Trump löst auch in Deutschland Entrüstung aus. Verteidigungsminister Pistorius sieht "Gewissheiten auf den Kopf gestellt". Europa müsse nun zusammenstehen.
In Berlin reiben sich Regierung und Opposition derzeit quasi stündlich neu die Augen. Die amerikanische Ankündigung von Friedensverhandlungen ohne die Ukraine ist noch nicht verdaut - da kam die nächste Überraschung aus Washington.
Er höre da Klagen aus der Ukraine, dass sie nicht eingeladen wären, lästerte US-Präsident Donald Trump. "Ihr seid doch drei Jahre dabei. Ihr hättet den Krieg nie anfangen, ihr hättet einen Deal machen sollen", so der US-Präsident.
Kiesewetter: "Trump übernimmt komplett die russischen Narrative"
Roderich Kiesewetter, außenpolitischer Obmann der Union im Auswärtigen Ausschuss, reagierte im gemeinsamen Morgenmagazin von ARD und ZDF entrüstet: "Trump hat hier Zugeständnisse an Putin gemacht, von denen er nie träumen konnte: Gebietsabtretungen, Verzicht auf NATO-Mitgliedschaft und wirft jetzt auch noch der Ukraine vor, den Krieg begonnen zu haben."
Trump werfe außerdem Selenskyj vor, dass er keinen Rückhalt mehr in der Bevölkerung habe. "Trump übernimmt also komplett die russischen Narrative und Europa schaut zu", kritisierte Kiesewetter.
Pistorius sieht fest geglaubte Gewissheiten infrage gestellt
Es ist die komplette Täter-Opfer-Umkehr in der Welt des US-Präsidenten. Verteidigungsminister Boris Pistorius sprach im Deutschlandfunk von der Abkehr der USA von fest geglaubten Gewissheiten:
Es geht hier darum, dass der amerikanische Präsident gewissermaßen weltpolitische Gewissheiten auf den Kopf stellt, um Deals zu erzwingen an der einen oder anderen Stelle.
Es gehe also um Deals. Dass es in der Folge auch um Krieg und Frieden für Europa gehen könnte, weiß auch Pistorius. Und während der britische Premier Keir Starmer schon öffentlich über Großbritanniens möglichen Beitrag zu Friedenstruppen in der Ukraine redet, mahnen Kanzler Olaf Scholz und der Verteidigungsminister zur Zurückhaltung. Das Motto: Wir haben Pläne, aber wissen doch gar nicht, wer da gerade was verhandelt. Trump solle Europa nicht unterschätzen.
"Wir sind als Europa nicht irgendjemand"
"Wir sind als Europa nicht irgendjemand. Das mag er so sehen. Wir müssen aber unsere Rolle auch ernst nehmen als Europäer." Die Europäer müssten aufhören, Misstöne zu verbreiten, so Pistorius. "Es braucht Geschlossenheit."
Schon heute will offenbar der französische Präsident Emmanuel Macron mit den europäischen Partnern erneut darüber beraten, wie Europa auf den amerikanischen Alleingang in Sachen Ukraine reagiert.
Pistorius will seine Pläne vorerst nicht öffentlich machen
Aus dem engen Verbündeten USA aber scheint ein misstrauisch beäugter Akteur geworden zu sein, dem auch Pistorius derzeit nicht mit eigenen Ideen für einen Friedensprozess entgegenkommen will. "Ich habe Vorschläge dafür, aber die werde ich nicht öffentlich diskutieren. Ich werde weder Donald Trump noch Wladimir Putin jetzt auf den Tisch legen, was ich bereit bin zu tun und was nicht." Erst einmal müsse klar sein, dass Deutschland am Friedensprozess beteiligt sei.
Rächen sich fehlende Investitionen?
Für Claudia Major von der Stiftung Wissenschaft und Politik ist es keine Überraschung, dass die europäischen NATO-Partner jahrelang zu wenig getan haben und jetzt unvorbereitet und überrumpelt wirken. "Momentan rächt sich, dass die Europäer jahrelang nicht in ihre Verteidigung investiert haben."
Hätten sie das gemacht, würden sie vielleicht mit am Tisch sitzen oder könnten zumindest eine Alternative anbieten, so Major. "Selbst wenn die Europäer jetzt alle geschlossen wären und sagen, wir wollen diesen Waffenstillstand absichern, weil wir eine stabile, souveräne Ukraine wollen, (...) kriegen Sie das alleine nicht hin."
Im Kreml nehmen sie das vermutlich erfreut zur Kenntnis. Und auch der deutsche Verteidigungsminister glaubt, dass die Misstöne in Europa nur einem helfen: Russland. "Daran sieht man schon, dass jetzt darüber zu spekulieren, niemandem hilft, außer der Verhandlungsposition von Wladimir Putin."