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Nach der Bundestagswahl ++ Haßelmann kritisiert Unions-Anfrage zu NGOs ++
Grünen-Fraktionschefin Haßelmann sieht in der Anfrage der Union einen Versuch, die Zivilgesellschaft einzuschüchtern. Der JU-Vorsitzende Winkel will das Ergebnis der Unions-Parteien bei der Bundestagswahl aufarbeiten.
Die wichtigsten Entwicklungen:
- Haßelmann: Zivilgesellschaft soll eingeschüchtert werden
- Klingbeil mit 85,6% zum SPD-Fraktionschef gewählt
- Ex-Ministerin Giffey fordert Erneuerung von SPD-Spitze
- JU-Vorsitzender enttäuscht über Unions-Wahlergebnis
- SPD-Fraktionsvorsitzender soll gewählt werden
SPD-Chef Lars Klingbeil hat eine parteiinterne Aufarbeitung der Niederlage bei der Bundestagswahl angekündigt und sieht auch sich persönlich in der Verantwortung. "Es wird eine Fehleranalyse geben und daraus werden Konsequenzen abgeleitet", sagte er nach seiner Wahl zum Fraktionschef der SPD im Bundestag. "Natürlich muss es Veränderungen geben", fuhr Klingbeil fort. "Dafür stehe ich auch als Person."
Die bisherige Kanzlerpartei SPD hatte bei der Bundestagswahl hohe Verluste hinnehmen müssen und kam nur noch auf 16,4 Prozent der Stimmen. "Dieses Ergebnis muss aufgearbeitet werden", sagte Klingbeil. Dafür brauche die SPD Zeit "und wir horchen auch in die Partei rein". Mit Blick auf seine Rolle sagte er: "Dass wir zusammen gewinnen und verlieren, gilt auch für mich."
Die parlamentarische Anfrage der Union zur politischen Neutralität von Nichtregierungsorganisationen sorgt für große Empörung. Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann nannte die Anfrage der CDU/CSU ungeheuerlich."Es sieht alles danach aus, dass Teile der Zivilgesellschaft hier eingeschüchtert werden sollen", sagte sie.
Nach Angaben der schwedischen Regierung will CDU-Chef Friedrich Merz am Nachmittag den schwedischen Ministerpräsidenten Ulf Kristersson in Berlin treffen. Es seien keine Pressetermine geplant, sagt ein Sprecher Kristerssons. Die CDU will sich dazu auf Anfrage nicht äußern.
SPD-Co-Chef Lars Klingbeil ist zum Fraktionschef der neuen SPD-Bundestagsfraktion gewählt worden. Klingbeil erhielt 95 Ja-Stimmen, 13 Abgeordnete stimmten mit Nein. Es gab drei Enthaltungen und zwei ungültige Stimmen. Dies ergibt eine Mehrheit von 85,6 Prozent.
Der bisherige Fraktionschef Rolf Mützenich hatte nach der Bundestagswahl einen Generationswechsel angekündigt und Klingbeil vorgeschlagen, der Parteichef bleibt. Die SPD-Gremien hatten den 47-jährigen Niedersachsen daraufhin als neuen Fraktionschef vorgeschlagen.
Die Grünen stellen Bedingungen für mehr Geld für die Verteidigung. Der scheidende Chefhaushälter Sven-Christian Kindler sagte der Nachrichtenagentur dpa, die Grünen seien offen für Gespräche. Es gehe aber um eine grundlegende Reform der Schuldenbremse, damit neben Investitionen in äußere und innere Sicherheit auch mehr Investitionen für Klimaschutz, die marode Infrastruktur, eine wettbewerbsfähige Wirtschaft und Bildung möglich werden.
Eine solche Reform wäre bis zur Konstituierung des neuen Bundestags gesetzestechnisch machbar. Bisher sei die Union noch nicht auf die Grünen zugegangen. Kindler kritisierte den Kurs von Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz. Er habe alle Änderungen vor der Wahl aus parteitaktischen Gründen abgeblockt. "Nun will er allein bei der Bundeswehr notdürftig die Lücken stopfen." Das werde den Herausforderungen für das Land nicht gerecht, so der Grünen-Politiker, der dem neuen Bundestag nicht mehr angehören wird.
Berlins Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD) hat nach dem schlechten Abschneiden ihrer Partei bei der Bundestagswahl eine personelle Erneuerung an der SPD-Spitze gefordert. "Nach dem historisch schlechten Wahlergebnis der SPD am vergangenen Sonntag ist es offensichtlich, dass daraus in der Partei Konsequenzen gezogen werden müssen", sagte Giffey dem Tagesspiegel. Das gelte sowohl für die programmatische Ausrichtung als auch für die Parteispitze im Bund.
"Ein einfaches Weiter so mit den gleichen handelnden Personen kann aus meiner Sicht nicht die Antwort auf die notwendige Frage der Erneuerung sein", sagte Giffey. Die Ankündigung von Parteichef Lars Klingbeil zu einem "Generationswechsel" müsse nun rasch mit Leben gefüllt werden. "Es gibt fähige Personen in der Partei, die jetzt mehr Verantwortung übernehmen könnten. Das muss ermöglicht werden", betonte die ehemalige Bundesfamilienministerin und frühere Regierende Bürgermeisterin in Berlin.
Die SPD hat sich verwundert gezeigt, dass die Union bisher nicht mit Gesprächsangeboten auf die Sozialdemokraten zugekommen ist. "Wir stehen für Gespräche bereit", sagte die SPD-Co-Vorsitzende Saskia Esken der Nachrichtenagentur Reuters. "Bisher hat sich Herr Merz bei mir noch nicht gemeldet."
CDU und CSU hatten nach dem Wahlsieg am Sonntag mehrfach öffentlich betont, dass sie schnelle Gespräche und einen Abschluss von Koalitionsgesprächen bis Ostern anstreben. Dazu müssten aber zunächst die Parteichefs miteinander Kontakt haben, um über mögliche Sondierungen ab kommender Woche zu sprechen.
Ein Linker aus Niederbayern ist der jüngste Abgeordnete des neu gewählten Bundestags. Wie die Parlamentsverwaltung mitteilte, wurde der 23-jährige Luke Hoß aus dem Wahlkreis Passau auf Platz vier der Landesliste der Partei Die Linke gewählt - dank der unerwartet hohen Zweitstimmenanteile bundesweit und in Bayern.
Auch die jüngste Abgeordnete sitzt demnach bei den Linken: Fraktionskollegin Zada Salihović ist laut Bundestag 24 Jahre alt und zieht über die Landesliste Sachsen ein.
Zum Vergleich: Ältester Abgeordneter ist der Ehrenvorsitzende der AfD-Fraktion, Alexander Gauland, mit 84 Jahren.
Der frühere SPD-Wahlkampfmanager Matthias Machnig hat scharfe Kritik an den Parteivorsitzenden Lars Klingbeil und Saskia Esken geübt. Nach der historischen Wahlniederlage sei es befremdlich, dass es keinen Moment des Innehaltens, keine kritische Selbstüberprüfung oder Selbstreflexion gebe, sagte der ehemalige Thüringer Wirtschaftsminister und Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium gegenüber t-online.
"Stattdessen hat Klingbeil das politische Vakuum in der Nacht zu seinen Gunsten genutzt. Das ist eine Art Selbstermächtigung oder gar Bonapartismus", so Machnig. "Ob das der SPD langfristig nutzt oder schadet, ist eine mehr als offene Frage."
Er wies darauf hin, dass unter anderem Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck und FDP-Chef Christian Lindner Verantwortung für die Wahlergebnisse ihrer Parteien übernommen hätten. "Nur in der SPD gibt es ein Weiter-so. Es geht den Verantwortlichen erkennbar eher darum, ihre Position abzusichern und die eigenen Karrierepfade weiterzuentwickeln."
Unionsfraktionsvize Mathias Middelberg (CDU) warnt vor einer Aufweichung der Schuldenbremse. Mit einer solchen Lockerung nehme man "für Jahrzehnte jede Disziplin, wirklich mit dem Geld auszukommen, was man an Einnahmen hat. Und das sollte das Grundprinzip bleiben", sagte Middelberg im ARD-Morgenmagazin. Ihm sei ein Sondervermögen - und damit "Sonderschulden" - daher "allemal lieber als eine generelle Änderung oder Aufweichung der Schuldenbremse".
Aus Sicht des CDU-Politikers ist es sinnvoller, einen gesonderten Finanzierungsbedarf zu erkennen, um dann "Mittel zu mobilisieren und dann aber auch wirklich einen Deckel drauf zu machen". Man stehe durch die neue US-Regierung um Präsident Donald Trump vor "drastisch neuen Herausforderungen", sagte Middelberg. Es gebe daher einen akuten Bedarf "über das hinaus, was wir auch bisher taxieren konnten".
Der frühere CDU-Generalsekretär Mario Czaja fordert seine Partei angesichts des Wahlerfolgs der AfD auf, die politische Arbeit in Ostdeutschland zu intensivieren.
"Ich kann meine Partei nur dazu ermutigen, mehr logistische und personelle Unterstützung in alle ostdeutschen Wahlkreise zu geben, um die Präsenz und Bürgernähe auszubauen", sagte Czaja dem Tagesspiegel. "Ich sehe mit Sorge, dass die AfD in ganz Ostdeutschland so stark geworden ist. Dadurch gehen in den kommenden vier Jahren in der Fläche unwiederbringlich viele Ansprechpartner der demokratischen Parteien verloren."
Czaja hatte bei der Wahl am Sonntag sein Direktmandat im Berliner Wahlkreis Marzahn-Hellersdorf an den AfD-Politiker Gottfried Curio verloren.
Der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) für ein neues Verteidigungs-Sondervermögen ausgesprochen. "Das brauchen wir auf jeden Fall. Wir müssen verteidigungsfähig sein in Europa, noch stärker auch durch das, was in der Welt ansonsten passiert", sagte er in einem Podcast des Nachrichtenmagazins Politico. "Und von daher, glaube ich, wäre es sehr klug, wenn wir das relativ schnell auch angehen."
Zugleich sprach sich Günther für eine rasche Reform der grundgesetzlich verankerten Schuldenbremse aus, allerdings erst nach der Konstituierung des neuen Bundestages. Es brauche "relativ schnell" neue Schuldenregeln, "gerade für die Länder". Allerdings werde dafür "ein bisschen solidere Zeit" benötigt. "Und das kann man dann auch mit einer Mehrheit im nächsten Deutschen Bundestag beschließen." Man müsse dabei in Kauf nehmen, dass für eine entsprechende Grundgesetzänderung auch Stimmen aus der Linkspartei benötigt würden.
Der Vorsitzende der Jungen Union (JU), Johannes Winkel, verlangt eine Aufarbeitung der Gründe für das Scheitern der Unionsparteien an der 30-Prozent-Marke bei der Bundestagswahl. "Dieses Ergebnis kann nicht Anspruch der Union sein", sagte Winkel der Nachrichtenagentur dpa. "Gerade nach dem historischen Scheitern der Ampel sind weniger als 30 Prozent enttäuschend", fügte er hinzu.
Die Junge Union werde "jedenfalls genau analysieren, warum wir bei der Europawahl vor weniger als einem Jahr noch stärkste Kraft unter jungen Wählern waren, und die junge Generation der Union nun deutlich weniger Stimmen gegeben hat".
Die neue SPD-Bundestagsfraktion wählt am Vormittag einen neuen Vorsitzenden. Einziger Kandidat ist der Parteivorsitzende Lars Klingbeil. Der 47-jährige Niedersachse war am Wahlabend wenige Stunden nach Schließung der Wahllokale vom Parteipräsidium vorgeschlagen und einen Tag später einstimmig vom Fraktionsvorstand nominiert worden. Offen ist, wie viele Abgeordnete ihm die Stimme verweigern, weil sie ihn für das Wahlergebnis mitverantwortlich machen.
Klingbeil hatte nach dem desaströsem Ergebnis der SPD bei der Bundestagswahl am Sonntag einen "Generationenwechsel" gefordert. Der bisherige Amtsinhaber Rolf Mützenich tritt nicht mehr an.
Der Deutsche Städte- und Gemeindebund hat sich für eine schnelle Reform der Schuldenbremse ausgesprochen. Hauptgeschäftsführer André Berghegger sagte der Neuen Osnabrücker Zeitung, die Regelungen müssten so abgeändert werden, dass neben einem Sondervermögen für Sicherheit und Verteidigung auch ein Infrastrukturfonds auf den Weg gebracht werden könne.
Zudem müsse die Schuldenbremse für die Bundesländer angepasst werden, so der CDU-Politiker. Diese sollten - ähnlich wie der Bund - bis zu 0,35 Prozent ihres jeweiligen Bruttoinlandsproduktes an Schulden aufnehmen dürfen.
Der Liveblog vom Dienstag zum Nachlesen
Nach den Verlusten der Grünen bei der Bundestagswahl will deren Nachwuchsorganisation eine Kurskorrektur. Die Linke im Bundestag kam nach ihrem Wahlerfolg wieder als Fraktion statt als Gruppe zusammen.