Trotz Fachkräftemangel Warum Ältere es am Arbeitsmarkt oft schwer haben
Überall fehlt Personal. Die Politik will, dass die Deutschen später in Rente gehen. Doch wer seine Stelle verliert und mit über 50 eine neue finden muss, hat es oft schwer. Warum?
Alle sechs Wochen muss Dorothee zur Arbeitsagentur. Sie ist 61 Jahre alt und seit einem Jahr auf Jobsuche, nachdem ihr betriebsbedingt gekündigt wurde. Ihr voller Name soll nicht veröffentlicht werden. Mit Arbeitsvermittlerin Deike Schirge bespricht sie die Ergebnisse aus einem Workshop "Was Ü50-Jährige zu bieten haben".
Auf dem Zettel stehen Eigenschaften wie Fachwissen, ein berufliches Netzwerk, die Fähigkeit, Grenzen zu erkennen und Risiken besser einzuschätzen. Dorothee hat 35 Jahre Berufserfahrung in der Marketing- und Strategie-Beratung. Sie war selbst Abteilungsleiterin in einer Agentur für Verpackungsdesign und hat Bewerber ausgesucht.
"Einfach aussortiert"
Jetzt mit 61 ist sie wieder die Bewerberin - und bekommt nur Absagen. Auch ihre Zusatzqualifikation im Bereich Nachhaltigkeit führt bisher nicht zum Erfolg. Oft wird sie nicht mal zum Gespräch eingeladen. Ihr Selbstvertrauen bröckelt.
"Auf meinen Zeugnissen und meinen Zertifikaten steht überall mein Geburtsdatum. Ich denke, dass man da einfach aussortiert wird, und das finde ich natürlich frustrierend", erzählt die Kommunikations-Expertin.
"Bilder im Kopf" machen es schwerer
So wie Dorothee geht es vielen. Arbeitssuchende über 50 sind im Schnitt 100 Tage länger arbeitslos als jüngere Menschen - trotz des Fachkräftemangels und Anreizen aus der Politik, später in Rente zu gehen. Wer den Renteneintritt über den regulären Zeitpunkt hinaus verzögert, bekommt für jeden zusätzlich gearbeiteten Monat zwar ein Leben lang 0,5 Prozent mehr Rente. Aber wenn ein älterer Arbeitnehmer arbeitslos wird, ist die Lage immer noch schwierig.
Ein Grund seien die Vorurteile der Arbeitgeber gegenüber älteren Mitarbeitern, meint Karriere-Coach Marketa Burger. Es seien die "Bilder im Kopf", weswegen viele Arbeitgeber sich oft für jüngere Bewerber entschieden.
Experten verweisen darauf, dass im Ausbau der Beschäftigung ein großer Hebel liegt, um die Konsequenzen des demografischen Wandels und Fachkräftemangels abzufedern. Ein Umdenken bei den Arbeitgebern sei nötig, statt ältere Arbeitgeber durch Abfindungen früher in Rente zu schicken oder gar nicht erst einzustellen.
Bedenken wegen jüngerer Chefin
"Vorurteile wie, die 50-Plus-Jährigen sind zu teuer, fallen häufig aus, sind ständig krank. Bedenken, wie es mit dem Team matchen könnte, ist der neue Kollege zu vorlaut? Was ist mit einer jüngeren Chefin, wie wird das denn laufen?", sagt die Karriereberaterin Burger. Viele Arbeitgeber nutzten auch Künstliche Intelligenz, um die Bewerber "vorzusortieren". Dabei flögen ältere Arbeitnehmer oft raus.
Auch Marina Marquardt von der Agentur für Arbeit in Hamburg bestätigt, dass es ältere Arbeitssuchende oft schwerer haben. Von Juli 2022 bis Juni 2023 haben 5.576 arbeitslose Menschen über 50 eine neue Beschäftigung gefunden. Das entspricht in dem Zeitraum 10,9 Prozent der Arbeitslosen in Hamburg. Dabei seien ältere Arbeitnehmer oft ausdauernd, gut ausgebildet und sie wechseln nicht so schnell den Job wie Jüngere.
Zusatzqualifikationen helfen
An der Gehaltsfrage scheitere es oft nicht, viele seien zu Kompromissen bereit. Experten empfehlen Unternehmen daher, die eigenen Altersbilder zu überprüfen. Aber auch Bewerber könnten die Vorurteile gegenüber Älteren durch moderne Bewerbungsmappen oder Zusatzqualifikationen, etwa im Bereich Künstliche Intelligenz oder Internet-Suchmaschinenoptimierung (SEO), entkräften.
Dorothee ist sich sicher, dass Teams mit jüngeren Mitarbeitern von ihrer Erfahrung profitieren würden. "Eigentlich geht es doch darum, dass man das Wissen und die Kompetenz, die vorhanden ist, gut miteinander kombinieren kann." Sie enttäuscht vor allem, dass sie meistens gar nicht erst zum Gespräch eingeladen wird.
Doch noch will sie nicht aufgeben. Mit 61 in Rente zu gehen, kommt für sie nicht in Frage. Zwei Bewerbungen hat sie gerade wieder abgeschickt - Ausgang offen.