Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
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Europas Asylsysteme Welche Leistungen bekommen Geflüchtete?

Stand: 11.03.2025 08:01 Uhr

Leistungen für Geflüchtete waren ein großes Wahlkampfthema. Was bekommen sie in den einzelnen Staaten Europas? Ein Vergleich Deutschlands mit Frankreich, Polen und Dänemark.

Von Christiane Cichy, mdr

Vergleicht man Deutschlands Asylleistungen mit Polen, Dänemark und Frankreich, ergibt sich ein differenziertes Bild. Das zeigen die Gespräche mit den ARD-Korrespondenten vor Ort. In der Antragsphase sind Deutschlands Leistungen führend in Europa. Während der Antragsstellung erhält eine alleinstehende Person in Deutschland 441 Euro pro Monat, darunter 196 Euro Taschengeld und 245 Euro für den notwendigen Bedarf wie Lebensmittel.

Auch Asylbewerber ohne Verpflegung in Asylunterkünften wie der 32-jährige Hasan aus dem Gazastreifen erhalten dieses Geld. Hasan wartet seit 18 Monaten auf die Bearbeitung seines Asylantrags und lebt derzeit in einem Übergangsheim in Dresden mit 43 anderen Männern aus Syrien, Ägypten, Indien und der Ukraine.

Im Vergleich dazu erhält ein Asylbewerber in Frankreich bei fehlender Unterkunft ebenfalls 440 Euro, sonst nur 210 Euro. In Dänemark kommen zur Unterkunft 236 Euro hinzu. In Polen erhalten Asylbewerber lediglich Unterkunft und Essen, ohne finanzielle Unterstützung.

Versorgung abgelehnter Asylbewerber in Deutschland am besten

Asylbewerber, deren Antrag in Deutschland genehmigt wurde, erhalten das Bürgergeld. Der Regelsatz für Alleinstehende beträgt derzeit 563 Euro, dazu kommen Kosten für Wohnung, Heizung und gesetzliche Krankenversicherung. In Frankreich erhalten anerkannte Asylbewerber eine ähnliche Leistung, das Revenu de solidarité active (RSA), jedoch reduziert durch Wohngeld. In Dänemark sind es 882 Euro, inklusive Wohngeld. Polen zahlt mit etwa 160 Euro am wenigsten.

Die Versorgung abgelehnter Asylbewerber ist in Deutschland am besten. Ende 2024 lebten in Deutschland insgesamt rund 221.000 ausreisepflichtige Ausländer, davon 179.000 Geduldete. Deutschland gewährt abgelehnten Asylbewerbern mit Duldung nach 36 Monaten Analogleistungen wie deutschen Sozialhilfeempfängern: Bürgergeld, Wohn- und Heizkosten sowie gesetzliche Krankenversicherung.

Frankreich streicht Leistungen für abgelehnte Asylbewerber hingegen komplett, dort gibt es den Status der Duldung nicht. Anders als in Deutschland werden hier für abgelehnte Asylbewerber alle Leistungen heruntergefahren. Sobald der Antrag abgelehnt sei, so Friederike Hofmann vom ARD-Studio Paris, zahle der französische Staat gar nichts mehr. "Es fällt zum einen die monatliche Sozialleistung von 210 Euro weg, aber auch die Unterkunft oder das Wohngeld."

In Dänemark nur Essen und Unterkunft im Abschiebelager

Während Deutschland im letzten Jahr etwa 250.000 Asylanträge verzeichnete, haben in Dänemark im selben Zeitraum nur etwa 2.300 Menschen einen Asylantrag gestellt, und nur 860 Menschen wurde Asyl erteilt. Der Grund sei die strikte Asylpolitik der sozialdemokratischen Regierung unter Ministerpräsidentin Mette Frederiksen, erklärt Rikke Detlefsen aus Kopenhagen.

Die wichtigsten Reformen in der Asylpolitik seien vor allem die verschärften Grenzkontrollen, aber auch die erheblichen Kürzungen der Leistungen gewesen, so Detlefsen. "Aber am wichtigsten ist, dass Asyl in Dänemark grundsätzlich zeitbegrenzt ist. Das heißt, dass Migranten auch nach vielen Jahren in Dänemark ihre Aufenthaltsgenehmigung verlieren können, wenn es in den Augen der Behörden möglich ist, zurückzukehren."

Die Lage für abgelehnte Asylbewerber sei auch in Dänemark ähnlich geregelt wie in Frankreich. "Nach der Ablehnung des Asylantrags muss man freiwillig an der Heimreiseplanung teilnehmen, um weiter Geldleistungen zu erhalten", sagt Rikke Detlefsen. "Wer ablehnt auszureisen, bekommt kein Geld mehr, nur noch Essen, Kleidung und Unterkunft in einem Abschiebelager. Alle Arbeits- und Ausbildungsmöglichkeiten werden gestoppt." Auch in Polen bekommen abgelehnte Asylbewerber kein Geld mehr.

Das Fazit: Die meisten Länder fahren nach Ablehnung des Asylantrages ihre Leistungen komplett runter.

Deutschland: Kaum Anerkennung von Berufsqualifikationen

Wie ist die Situation für Geflüchtete aus der Ukraine? Grundsätzlich sind die rechtlichen Voraussetzungen erstmal in allen EU-Ländern ähnlich: Ohne Asylverfahren können sie im Aufnahmeland leben, sie sind in die Gesundheits- und Sozialsysteme integriert und dürfen sofort arbeiten. Seit 2023 sollte der sogenannte Jobturbo Ukrainer in Deutschland noch schneller in Arbeit bringen.

Davon hätte auch die 32-jährige Ivanna Cherleniek profitieren können. Sie ist schon kurz nach Kriegsbeginn, also vor drei Jahren, nach Deutschland gekommen. Doch wie viele ihrer Landsleute wartet auch sie immer noch auf die Anerkennung ihres Hochschulabschlusses. Bei ihr ist es eine Promotion und ein Master in Geschichte. Aber auch die Anerkennung von Berufsqualifikationen, die in Deutschland dringend gebraucht werden - wie Pflegeberufe oder Ärztinnen -, läuft schleppend und kann mitunter zwei Jahre und mehr in Anspruch nehmen.

Laut einer aktuellen Studie der Bertelsmann Stiftung weist Deutschland im europäischen Vergleich nur eine mittelmäßige Beschäftigungsquote ukrainischer Geflüchteter vor. So hatten im letzten Jahr gerade mal 30 Prozent der Menschen im erwerbsfähigen Alter mit ukrainischem Pass einen Job. In Großbritannien, Schweden, Dänemark und in den Niederlanden waren es bis zu 56 Prozent, in Polen und der Tschechischen Republik sogar mehr als 60 Prozent.

Die deutsche Strategie, mit Sprach- und Integrationskursen die Geflüchteten in Arbeit zu bringen, sei gescheitert, so Dietrich Thränhardt, Autor der Studie. Dafür würden zwei Gründe sprechen: Erstens habe es zu lange gedauert, diese Kurse zu besuchen, und zweitens - und das sei der zentrale Grund - seien bis heute zu wenig Berufsqualifikationen anerkannt: "Und das verhindert, dass die Geflüchteten in ihren Berufen als Ärztinnen, Lehrerinnen, Apothekerinnen oder was auch immer arbeiten können, ganz egal, ob sie nun bereits Deutsch gelernt haben oder nicht."

Polen: Hoher finanzieller Druck und wenig Bürokratie

Polen gehört neben Deutschland zu den Hauptaufnahmeländern von ukrainischen Geflüchteten. Hier hatte nicht das Erlernen der Sprache, sondern die Integration in den Arbeitsmarkt höchste Priorität. Dass nach Polen Geflüchtete schneller in Arbeit kommen als in Deutschland, liege vor allem auch daran, dass der finanzielle Druck größer sei, so Kristin Joachim vom ARD-Studio in Warschau. "Denn finanzielle Hilfe vom polnischen Staat gibt es kaum, und wenn, dann ist sie zeitlich befristet." Berufsabschlüsse werden in Polen aber auch schneller und unbürokratischer anerkannt, so Joachim.

Wenig Bürokratie herrscht offenbar auch bei den zahlreichen Unternehmensgründungen. Schon Ende 2022 wurden 10.000 Unternehmen von Ukrainern gegründet, darunter Friseurläden, Schönheitssalons, Renovierungs- und Baufirmen aber auch Software-Unternehmen. Ein Beispiel ist die 28jährige Lera Ruma, die vor drei Jahren nach Warschau kam. Schon zwei Monate nach ihrer Ankunft hatte sie ihren ersten Beautysalon eröffnet. Mittlerweile seien es insgesamt drei mit mehr als 100 Mitarbeitern.

Finanzielle Hilfen hätte sie keine beantragt, doch ihr Neustart sei schnell und unbürokratisch gelaufen. "Ich hätte auch nach Deutschland gehen können, um dort von Sozialhilfe zu leben, aber mir gefällt es viel mehr, wie es hier in Polen läuft", sagt die junge Unternehmerin.

Ein Resultat der schnellen Integration auf den Arbeitsmarkt: Schon 2023 hat der polnische Staat mehr Steuern von den Geflüchteten aus der Ukraine eingenommen, als er Ausgaben für sie hatte.

Anerkennung von Berufsabschlüssen vereinfachen

Der innenpolitische Sprecher der CDU-CSU Fraktion, Alexander Throm, fordert gegenüber der ARD, dass Ausreisepflichtige - dazu gehören für ihn auch Geduldete - bis auf "Bett, Brot und Seife" überhaupt keine staatlichen Leistungen mehr erhalten sollten. "Die Verfahren zur Berufsanerkennung müssen zudem einfacher werden", heißt es weiter. "Neu einreisende ukrainische Kriegsflüchtlinge sollten statt Bürgergeld erst einmal Asylbewerberleistungen erhalten. Wer schnell arbeitet, integriert sich besser und erlernt im Job Deutsch, auch ohne einen langwierigen vorherigen Sprachkurs."

Auch der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Sebastian Hartmann, will künftig die vorhandenen Qualifikationen unkomplizierter anerkennen, als das bisher der Fall ist: "An oberster Stelle muss stehen, dass all diejenigen, die arbeiten können, auch schnell einen passenden Job finden. Diese Erwartungshaltung müssen wir künftig noch deutlicher kommunizieren."