Die Ukrainerinnen Kateryna Danylenko und Ganna Robak auf dem Weg zur Sparkasse Hochschwarzwald
reportage

Kurs für ukrainische Geflüchtete Wie eine Sparkasse zur Integration beiträgt

Stand: 27.10.2023 13:12 Uhr

Gut ausgebildet und hochmotiviert - viele Geflüchtete aus der Ukraine wollen schnell arbeiten. Oft stoßen sie dabei aber auf bürokratische Hürden. Eine Sparkasse im Schwarzwald zeigt, dass es auch anders geht.

Wenn Kateryna Danylenko und Ganna Robak in ihren schwarzen Hosenanzügen zur Sparkasse Hochschwarzwald in Kirchzarten laufen, könnte man denken, die beiden arbeiteten schon hier. Ausreichend Berufserfahrung hätten sie jedenfalls.

"In der Ukraine habe ich zwölf Jahre in einer bekannten Bank gearbeitet, ich war Hauptbuchhalterin in dieser Bank und dieser Beruf gefällt mir sehr", sagt Robak. Auch Danylenko würde gerne wieder in einer Bank arbeiten, sie war in der Ukraine zunächst Kreditspezialistin, dann ist sie zur Regionaldirektorin aufgestiegen. "Mein Herz blutet für die Ukraine. Aber wir müssen hier eine Zukunft bauen."

Deshalb gehen die beiden zweimal in der Woche zu einem Spezialkurs in Kirchzarten, um die Fachsprache und etwas über das deutsche Bankwesen zu lernen. "Wir lernen alle Fachausdrücke, wie Profitabilitätsanalyse, Bewertung von Risikopotential, Vorbereitung von Kreditentscheidung", erklärt Danylenko.

Die meisten haben einen Hochschulabschluss

Viele der über eine Million zu uns geflüchteten Ukrainerinnen und Ukrainer sind hochqualifiziert, so wie die beiden Frauen. Laut einer aktuellen Analyse des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) verfügen 68 Prozent der Geflüchteten im erwerbsfähigen Alter über Hochschul- oder Universitätsabschlüsse, weitere 16 Prozent über berufsqualifizierende Abschlüsse.

In Deutschland fehlen massiv Fachkräfte, eigentlich eine große Chance. Doch gerade mal 19 Prozent der hierher Geflüchteten hat eine Arbeit gefunden, so das Ergebnis einer Analyse der Friedrich-Ebert-Stiftung. In Ländern wie Polen, der Tschechischen Republik, aber auch Dänemark sind es zwei Drittel und mehr.

Seit Oktober 2022 sei der Anteil der Erwerbstätigen hier um gerade einmal einen Prozentpunkt gestiegen, trotz der überdurchschnittlichen guten Ausbildung und der großen Nachfrage nach Arbeitskräften. In Dänemark hätten dagegen schon 77 Prozent der ukrainischen Kriegsflüchtlinge eine bezahlte Beschäftigung gefunden, so die Analyse.

Arbeit als Schlüssel zu Integration

Die niedrige Arbeitsbeteiligung sei besorgniserregend, sagt Dietrich Thränhardt, Autor der Analyse. Und dass nicht nur wegen der verschenkten Arbeitskraft: "Arbeit ist ein Schlüssel zur Integration. Wenn man eigenes Geld verdient, erwirbt man Selbstvertrauen und Respekt, hat Kontakte auf gleicher Ebene und lernt damit auch die Sprache schneller", so die Überzeugung des emeritierten Professors für Politikwissenschaft.

Genau so hat es auch Robak erlebt: "Als ich hierhergekommen bin am Anfang, da war ich wie eine Null. Keine Sprache, keine Arbeit kein Geld." Mittlerweile wohnt sie nicht mehr auf dem Campingplatz in Kirchzarten, sondern mit anderen Ukrainern in einem Haus. Sie hat intensiv Deutsch gelernt und durch den Spezialkurs große Hoffnung auf einen Job.

Doch oft scheitert das Arbeiten an hohen bürokratischen Hürden. In Polen klagen nur fünf Prozent darüber, in Deutschland 49 Prozent. Hier sind, so die Analyse der Friedrich-Ebert-Stiftung, mehrere Schritte bis zur Arbeitsaufnahme nötig, was Verzögerungen und Orientierungsschwierigkeiten hervorruft und die unterschiedlichen Ämter benötigen jeweils Bearbeitungszeiten.

Spezialkurs für ukrainische Geflüchtete

Spezialkurs dank Eigeninitiative - Kateryna Danylenko und Ganna Robak hoffen, dass sie nun auch schnell eine feste Arbeit finden.

Eigeninitiative machte den Anfang

Der Kurs haben Robak und Danylenko auch nicht den deutschen Behörden zu verdanken. Sondern ihrer Eigeninitiative. Auf Facebook hat Danylenko den russischsprachigen Verein "Wesna" entdeckt, der ein Treffen für ukrainische Flüchtlinge organisiert hat - mit dem Ziel, sie besser zu integrieren.

Leiterin in Freiburg ist Irina Friedemann. Die Russin war früher Unternehmensberaterin, jetzt arbeitet sie bei der Sparkasse Hochschwarzwald. "Ich bin seit 32 Jahren hier und meine Mission ist es, die russischsprachigen gut ausgebildeten Frauen in den ersten Arbeitsmarkt zu bekommen."

Bei einer Weihnachts-Singaktion begleiteten die Ukrainerinnen Friedemann in die Sparkasse Hochschwarzwald in Kirchzarten. Dort kamen sie ins Gespräch mit ihrem Kollegen Wolfgang Göldner. Als der hörte, dass eine der Frauen Fachfrau fürs Rechnungswesen ist, hat er ihr sofort die Bank gezeigt.

"Denn Fachleute fürs Rechnungswesen rennen uns nicht gerade die Bude ein", sagt er. Gemeinsam mit seiner Kollegin Friedemann hat er die Idee für den Spezialkurs entwickelt, Anfang April ging es los.

Lieber Arbeit statt Sozialleistungen

Die Teilnehmerinnen hätten alle schon viel gelernt, so Göldner. Denn sie seien motiviert, ehrgeizig und bei der Sache, würden auch längere Anfahrtswege in Kauf nehmen - alles, um zu lernen. Die Ukrainerinnen und Ukrainer wollen lieber arbeiten, statt Sozialleistungen zu beziehen, bestätigt auch die Studie von Thränhardt.

In Österreich und der Schweiz arbeiten ähnlich wenige Ukrainerinnen und Ukrainer wie in Deutschland, obwohl die Sozialleistungen weit niedriger sind, zum Teil unter dem Existenzminimum. Entscheidend sei also offensichtlich nicht das Versorgungsniveau, sondern die Beweglichkeit oder Schwerfälligkeit der Verwaltung, so Thränhardt. Er findet, der Kurs der Sparkasse trifft genau ins Schwarze. "In die Lücke zwischen nicht ganz ausreichenden Sprachkenntnissen, hoher Motivation und guter ukrainischen Ausbildung."

Gekommen, um zu bleiben

Die Bankfachfrauen aus Kirchzarten nehmen mittlerweile zusätzlich an Auszubildenden-Schulungen teil, die Sparkasse versucht in unterschiedlichen Abteilungen Hospitationen zu vermitteln. Der Verein Wesna unterstützt sie bei Bewerbungen. Kateryna Danylenko kam mit ihrem erwachsenen Sohn, Ganna Robak mit ihren beiden Kindern. Sie mussten beide ihre Männer und ihre Eltern zurücklassen, wollen aber dauerhaft in Deutschland bleiben.

Robak sagt: "Ich will, dass meine Kinder weiter in Deutschland in Ruhe leben können." Eine Arbeitserlaubnis haben die beiden Bankfachfrauen bereits, der Kurs hat sie vorbereitet, jetzt brauchen sie nur noch einen Job. Vielleicht bald in der Sparkasse Hochschwarzwald.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete MDR Thüringen Journal Info am 26. Oktober 2023 um 19:00 Uhr.