Soltau in Niedersachsen Erste Fabrik für "klimapositiven" Beton eröffnet
Beton ist für fast acht Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich. In Soltau kommt erstmals eine neue Technologie zum Einsatz, den Ausstoß massiv senken könnte.
Zehn Jahre hat Antonio Catarino auf diesen Tag hingearbeitet: "Wir haben die Technologie, um einen großen Beitrag zu leisten, damit die Bauindustrie dekarbonisiert wird", sagt der Chef des Betonherstellers Bton. Zusammen mit seinen Mitstreitern eröffnet er in Soltau im Heidekreis die erste Fabrik in Deutschland, die "klimapositiven" Beton herstellt. Klimapositiv heißt, dass mehr CO2 eingespart als freigesetzt wird. Herzstück ihrer Produktion ist eine neue Mischtechnologie - durchgeführt auf einem Mischturm, wie es ihn laut Catarino weltweit kein zweites Mal gibt.
Produktion in zwei Schritten
Bisher wurden bei der Herstellung von Beton Wasser, Sand, Kies und Zement gleichzeitig zusammengemischt. Damit Wasser und Zement miteinander reagieren können und der Beton aushärtet, war stets Klinker im Zement nötig. Dieser Klinker wird unter hoher Temperatur hergestellt und verbraucht dabei viel Energie und CO2.
Auf dem neuen Mischturm in Soltau geht es nun mit deutlich weniger Klinker. Dafür wird Beton in zwei Schritten produziert. Zunächst werden nur Wasser und Zement miteinander vermischt. Die sogenannte Hydratation, also das "Aktivieren" der Zementpartikel durch den Kontakt mit Wasser, funktioniert ohne die anderen Zusatzstoffe Sand und Kies schneller und effektiver. Deswegen kann hier Zement verwendet werden, der weniger Klinker enthält. Allein dadurch können laut der Betreiber bis zu 80 Prozent CO2 gespart werden. Erst im zweiten Schritt werden Sand und Kies dazugegeben.
Beton soll leichter werden
Insgesamt 9 Millionen Euro hat das Unternehmen Bton in das neue Werk investiert. Laut Geschäftsführer Thomas Demmel hat das Material, das sie über die neue Mischtechnologie gewinnen, die gleiche Qualität wie herkömmlicher Beton und kostet auch nicht mehr. Klimapositiv werde der Beton, wenn im Mischprozess auch noch kohlenstoffsenkende Materialien hinzugefügt werden. So werde am Ende mehr als CO2 absorbiert als in der gesamten Herstellung freigeworden sei.
"Wir glauben, dass es technologisch ein Gamechanger ist", sagt Demmel. Vor allem, weil es auch möglich sei, den in Soltau hergestellten Beton 40 Prozent leichter zu machen als bisher. Damit spare man Ressourcen. Zudem könne bei der neuen Mischtechnologie auch Sand eingesetzt werden, der nicht grobkörnig ist und bei bisherigen Betonmischanlagen nicht genutzt werden konnte, darunter auch Wüstensand.
Wirtschaftlichkeit als Knackpunkt
Um die Baubranche dauerhaft klimafreundlicher zu machen, muss die Produktion allerdings massiv ausgeweitet werden. In ihrem Werk in Soltau plant Bton im nächsten Jahr Wände und Fassadenelemente für 1.600 bis 2.000 Wohnungen herzustellen. Das alleine reicht nicht für den großen Wurf. Deswegen sollen weitere Werke in Deutschland und im Ausland folgen. Erste Anfragen und Aufträge kommen aus Brasilien, den USA, Singapur, Dubai und Saudi-Arabien.
Für Thorsten Leusmann, Beton-Experte der TU Braunschweig, ist die Wirtschaftlichkeit die zentrale Herausforderung, wenn es um Investitionen in neue Werke geht. "Wenn die Firma alles, was sie sich vorgenommen hat, umsetzen kann, umfasst das ein breites Spektrum dessen, was in der Betontechnologie derzeit erforscht wird." Fraglich sei nur, ob es nicht zu ambitioniert sei, gleich mehrere große Problemfelder in einem einzigen Werk lösen zu wollen.
Auch den Geschäftsführern Catarino und Demmel ist klar, dass sie weitere Partner und mehr Geld brauchen. Doch man gehe davon aus, schnell im Markt Anschluss zu finden. Das Werk in Soltau ist dabei neben der Produktion auch als Schulungswerk gedacht, an dem sich die nächsten Fertigteil-Produktionsstätten im In- und Ausland orientieren sollen.