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Berechnungen von Finanztip Die Eine-Million-Euro-Rentenlücke
Fachleute prognostizieren düstere Szenarien für zukünftige Renten. Aktuelle Berechnungen von Finanztip zeigen, wie groß die Rentenlücke ohne private Vorsorge ausfallen wird.
Um den eigenen Lebensstandard im Alter aufrechtzuerhalten, wird für die meisten Deutschen die gesetzliche Rente nicht ausreichen. Dieser Entwicklung sind sich die meisten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bewusst. So befürchten 64 Prozent der Frauen, im Alter finanziell nicht ausreichend abgesichert zu sein, bei den Männern trifft das auf etwa jeden Zweiten zu (48 Prozent). Das zeigt eine Umfrage des Geldratgebers Finanztip unter mehr als 1.000 Befragten, die noch nicht im Ruhestand sind. Komplett sorgenfrei ist beim Blick auf die Rente lediglich einer von zwanzig.
Rentenlücke wächst stetig
Die Differenz zwischen den Ausgaben im Ruhestand und den Einnahmen aus der gesetzlichen Rente wird als Renten- oder Versorgungslücke bezeichnet. Sie entsteht, weil die Rente nur einen Teil des Gehalts während der Berufstätigkeit abdeckt und der Bedarf im Alter wegen der Inflation sogar noch steigt. Finanztip hat 900 Musterfälle für Menschen im Alter von 20 bis 55 Jahren simuliert. Das Ergebnis: Die lebenslange Rentenlücke von Durchschnittsverdienern kann sich bis ins hohe Alter auf rund eine Million Euro summieren und liegt oft bei über 500.000 Euro.
So hat eine heute 30-jährige Frau, die monatlich rund 2.700 Euro netto verdient, einen Gesamtbedarf von einer Million Euro, wenn sie mit 67 Jahren in Rente geht und 100 Jahre alt wird. Auch wenn durchschnittlich nur 20 Rentenjahre herangezogen werden, liegt die Rentenlücke noch immer über 500.000 Euro. Bei der Rechnung wurde ein Budget von 80 Prozent ihres letzten Gehalts vor dem Renteneintritt zugrunde gelegt, und es wurde von einer jährlichen Inflationsrate von zwei Prozent sowie einer Rentensteigerung von 1,7 Prozent ausgegangen.
Jahr für Jahr steigen die Lebenshaltungskosten also in Zukunft stärker an als die nur gering wachsenden Renten. Denn: Die gesetzliche Rente ist ein Umlageverfahren. Die aktuellen Beiträge der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer werden für die aktuellen Auszahlungen an die Rentner verwendet. Aufgrund des demographischen Wandels gerät dieses System ins Wanken. Immer weniger Erwerbstätige zahlen für immer mehr Rentner. Wahrscheinlich kann es sich Deutschland als Staat deshalb nicht leisten, dass die Renten mit den allgemeinen Preissteigerungen mithalten. Die Rentenlücke wächst dementsprechend kontinuierlich.
Jeder Vierte verzichtet auf private Vorsorge
"Es ist wichtig, sich an große Zahlen bei der lebenslangen Rentenlücke zu gewöhnen", erklärt Finanztip-Chefredakteur Saidi Sulilatu. "Gerade weil die durchschnittliche Lebenserwartung in Deutschland seit Jahrzehnten steigt, wächst der persönliche Bedarf." Das erkennen auch die Befragten selbst: So gab mehr als ein Drittel an, ihre Rentenlücke voraussichtlich "eher schlecht" (20 Prozent) oder "sehr schlecht" (zwölf Prozent) schließen zu können.
Um die Versorgungslücke zu decken, empfehlen die Fachleute einem 30-Jährigen ohne Rücklagen, nach Möglichkeit mindestens 15 Prozent vom Netto jeden Monat zurückzulegen. Tatsächlich sorgen allerdings viele Menschen laut der Umfrage nicht genügend vor: Die meisten legen nur monatlich 100 bis 249 Euro fürs Alter zurück (27 Prozent), jeder Vierte zahlt sogar ausschließlich in die gesetzliche Rentenversicherung ein und verzichtet damit komplett auf zusätzliche Vorsorge (27 Prozent).
Besonders auffällig dabei: Jede vierte Frau kann weniger als 100 Euro pro Monat für ihre Altersvorsorge zurücklegen (25 Prozent), 30 Prozent keinen einzigen Cent. Das ist bei den männlichen Befragten anders: Nur 13 Prozent sparen weniger als 100 Euro und lediglich 19 Prozent nichts. Auch sehr deutlich: 40 Prozent der Männer sorgen mit mehr als 250 Euro pro Monat fürs Alter vor, bei den Frauen schaffen das nur 17 Prozent.
Wie die Lücke geschlossen werden kann
"Viele Menschen verlassen sich immer noch zu sehr auf die gesetzliche Rente und unterschätzen, wie viel sie sparen müssen, um später abgesichert zu sein", betont Sulilatu. Nur jeder Fünfte investiere etwa bereits passiv in Aktien-ETFs (21 Prozent). Dabei zeigen die Analysen von Finanztip, dass weltweite Aktien-ETFs eine gute Lösung sind, um vorzusorgen. "Unsere Berechnungen zeigen, dass Erwerbstätige langfristig mit einem weltweiten Aktien-ETF am besten fahren - weil die durchschnittliche Rendite vergleichsweise hoch ausfällt und sich starke Kursschwankungen in der Vergangenheit immer ausgeglichen haben", so Sulilatu.

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Folge 6: Wie baue ich mein ETF-Portfolio auf? (18. September)
Wer früh anfängt, hat später weniger Druck
Wer frühzeitig 15 Prozent seines Nettogehalts in einen global streuenden Aktien-ETF investiert, hat den Expertinnen und Experten zufolge eine gute Chance, die Inflation langfristig deutlich zu schlagen und finanziell abgesichert in den Ruhestand zu gehen. "Je früher man das Investieren anfängt, desto weniger Druck hat man später", meint der Finanztip-Chefredakteur.
Die 30-jährige Frau mit dem Nettogehalt von gut 2.700 Euro müsste laut den Berechnungen rund 430 Euro monatlich in Aktien-ETFs investieren (16 Prozent), um ihre Rentenlücke zu schließen. Wenn sie erst mit 35 Jahren und ohne Erspartes mit der Altersvorsorge beginnt, wären es knapp 20 Prozent oder 540 Euro pro Monat. Und bei einem Start mit 40 Jahren müsste sie schon 25 Prozent oder 690 Euro investieren. Die Realität in Deutschland ist eine andere: Nur 20 Prozent der befragten 30- bis 39-Jährigen legen 400 Euro oder mehr im Monat für die Altersvorsorge zurück.