Vor dem Reichstagsgebäude in Berlin ist eine Baustelle zu sehen.

Schwarz-rotes Infrastrukturpaket Geld allein macht nicht glücklich

Stand: 13.03.2025 06:59 Uhr

Mit einem gigantischen Schulden-Projekt wollen Union und SPD die Infrastruktur wieder auf Vordermann bringen. Doch sind Behörden und Baubranche für das Megaprogramm überhaupt gerüstet?

Am Aschermittwoch ist in Mainz alles vorbei. Das gilt für die Fastnacht - und auch für den Verkehr durch die Innenstadt: Eine der Hauptverkehrsadern ist für die nächsten zwei Monate fast komplett dicht. Zehntausende seien allein von dieser Sperrung betroffen, schätzt die Stadtverwaltung.

Der Grund: Die Straßenbahn im Zentrum wird ausgebaut. "Die Mainzer Infrastruktur ist lange vernachlässigt worden, deshalb müssen wir jetzt handeln", heißt es aus dem Rathaus. Bislang sind größere Staus zwar ausgeblieben. Das Großprojekt in der Nähe des Hauptbahnhofes ist aber nicht die einzige Baumaßnahme: Hinzu kommen etwa noch der Ausbau von Fernwärmeleitungen, die Sanierung von Wasserrohren und Straßenbelägen. 195 Baustellen sind in der Landeshauptstadt in diesem Jahr geplant.

Baubranche sieht große Chancen

Womöglich müssen sich die Bürger bundesweit in den kommenden Jahren auf Mainzer Verhältnisse einstellen, wenn die veranschlagten 500 Milliarden Euro verbaut werden. Geht jetzt in Sachen Sanierung und Neubau wirklich ein Ruck durch Deutschland? Es gibt viel Kritik, 500.000.000.000 Euro in die Infrastruktur zu stecken. Zustimmung kommt dagegen - fast schon erwartungsgemäß - aus der Baubranche.

Auch Elmar Schnorpfeil sieht große Chancen. Der gelernte Ingenieur ist Geschäftsführer einer Baufirma in der Nähe von Koblenz und Präsidiumsmitglied im Verband der Bauwirtschaft in Rheinland-Pfalz, führt dort die Fachabteilung Straßenbau. "Seit Jahrzehnten wird zu wenig investiert, was dem Bedarf immer weniger entspricht."

Schnorpfeil erinnert an die sogenannte Pellmann-Kommission, die vor 25 Jahren ihren Bericht zum Zustand der Infrastruktur vorgelegt hatte. Schon damals hieß es: Das Straßennetz sei strukturell unterfinanziert. Es folgten weitere Kommissionen, die Ergebnisse bleiben gleich. Warum hat sich nichts getan?

Bürokratie bremst Bauprojekte aus

Schnorpfeil sieht das Planungsrecht als ein großes Problem: "Die Ämter beginnen erst, wenn das Projekt auch durchfinanziert ist. Aber: Aufgrund der Wahlen in Bund und Ländern alle vier bis fünf Jahre ändern sich auch ständig die Gesetze und Verordnungen." Komme eine Neuregelung, bedeute das für die Behörden: "Alles zurück auf Null und wieder von vorne", erklärt Schnorpfeil.

Ein eindrückliches Beispiel gibt es dafür in der Eifel: Der Lückenschluss der Autobahn eins zwischen Blankenheim in Nordrhein-Westfalen und Kelberg. Die Planung für die 25 Kilometer laufen seit gut 40 Jahren. Ein Grund: Vor dem Bundesverwaltungsgericht gibt es derzeit mehrere Klagen - unter anderem vom Bund für Umwelt- und Naturschutz. Wann konkret gebaut werden darf, ist weiterhin unklar.  

Deshalb fordert Schnorpfeil von der Politik, das gesamte Planungs- und Genehmigungsverfahren müsse stark vereinfacht werden. Zudem bräuchten die Ämter mehr Personal und digitale Vernetzung.

"Die Politik hat endlich verstanden, dass wir unser Land massiv aus Verschleiß fahren", sagt der Bauunternehmer. "Wir hätten dann zehn Jahre Planungssicherheit mit einer gesicherten Finanzierung. Unsere Kapazitäten im Bau sind da - sowohl beim Personal wie auch den Maschinen. Bei Bedarf kann alles auch noch mal hochgefahren werden." 

Unternehmen stehen in den Startlöchern

Auch Tim-Oliver Müller, Hauptgeschäftsführer des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie, sieht die Branche für die anstehenden Megaprojekte gut aufgestellt: "Die Bauindustrie hat kein Kapazitätsproblem. Im Gegenteil: Aufgrund der seit Jahren rückläufigen Investitionen befinden wir uns eher in der Situation, dass das Personal der Unternehmen unterausgelastet ist."

Den Flaschenhals für die Umsetzung sieht auch Müller bei den Behörden. Auch für den Hauptgeschäftsführer sei das Planungsrecht ein Ärgernis: "Politik und Verwaltung müssen einen Weg finden, dass die Planungszeiten gerade im Bereich des Ersatzneubaus von Brücken ein Jahr nicht überschreiten." 

Der Zentralverband des Deutschen Baugewerbes (ZDB) hat bereits konkrete Reformvorschläge. Für den Verband hat sich das aktuelle Planungsrecht zu einem "Modernisierungs-, Investitions- und Innovationshemmnis" entwickelt. Hierbei spiele das Planfeststellungsverfahren eine zentrale Rolle.

Ein Reformbeispiel: Muss ein Gebäude altersbedingt abgerissen und durch ein neues ersetzt werden, brauche es keine abermalige Prüfung wie bisher. Begründung des ZDB: Für das bestehende Bauwerk sei bereits eine umfangreiche Prüfung durchgeführt worden.  

Stichtagesregelungen könnten Abhilfe schaffen

Unter anderem fordert der ZDB auch, eine Stichtagsregelungen einzuführen. Aktuell würden durch immer neue Gesetze die Planungen immer wieder gebremst und in die Länge gezogen. Daher plädiert der Verband für ein festes Datum, damit Änderungen nach einem bestimmten Stichtag nicht mehr berücksichtigt werden müssen. Das Ziel: Verbindlichkeit für die Planer.

Zusätzlich sollte auch das Klagerecht eingeschränkt werden, fordert der ZDB. Das bisherige Recht habe bislang dazu geführt, dass Umweltverbände nicht nur ökologische Bedenken, sondern auch andere Streitpunkte vor Gericht eingebracht hätten. Der ZDB spricht hier sogar von Missbrauch und Blockaden.

Hauptgeschäftsführer Felix Pakleppa fasst es folgendermaßen zusammen: "Die Prozesse müssen schneller werden, das Nadelöhr sind die Planungs- und Verwaltungskapazitäten. Gerade bei Infrastrukturprojekten dauern Planungen und Genehmigungen erheblich länger als das Bauen selber."

Viel Geld, aber keine Reformpläne

Die SPD hatte das enorme Investitionspaket bei den Sondierungen mit der Union durchgesetzt. Bei konkreten Reformvorhaben des Planungsrechts in der Verwaltung bleiben die Genossen aber vage. Die Fraktion verweist auf eine kürzlich beschlossene Änderung: "Im vergangenen Jahr wurde mit den Ländern der Deutschlandpakt zur Beschleunigung von Planungs-, Genehmigungs- und Umsetzungsverfahren vereinbart. Dieser Weg ist weitgehend unumstritten und muss konsequent fortgesetzt werden."

Zudem schränken die Sozialdemokraten in der Anfrage von tagesschau.de aber auch gleich ein: "Niemandem ist geholfen, wenn wir blind darauf losbauen und es nachher zu langen Gerichtsverfahren kommt, weil wichtige Belange nicht ernst genommen und abgewogen werden. Geschwindigkeit allein ist kein hinreichendes Kriterium, um effizienter zu werden."

Die Unionsfraktion will vor Vereinfachungen im Planungsrecht erst die weiteren Koalitionsverhandlungen abwarten. Für den ZDB-Hauptgeschäftsführer Pakleppa ist das bislang alles zu wenig. "Wir brauchen umgehend einen Turbo bei Planungs- und Genehmigungsverfahren sowie eine Vereinfachung in vielen Bereichen."