Zahlen des IW MINT-Fachkräftemangel weiterhin gravierend
In MINT-Berufen fehlen fast 300.000 Arbeitskräfte - sowohl Akademiker als auch Facharbeiter. Und der Bedarf wird weiter wachsen. Das geht aus dem neuen MINT-Herbstreport des IW hervor.
Deutschland fehlen weiter wichtige Arbeitskräfte. Das geht aus dem MINT-Herbstreport des Instituts der deutschen Wirtschaft IW hervor, der dem ARD-Hauptstadtstudio exklusiv vorliegt. In den sogenannten MINT-Berufen - die Abkürzung steht für Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik - fehlen laut aktuellem Report 285.800 Arbeitskräfte. Darunter sind 132.100 Facharbeiterstellen, die nicht besetzt werden können und 122.300 Stellen für MINT-Experten. Das sind in der Regel Hochschulabsolventinnen und -absolventen.
Im Vergleich zum Rekordwert aus dem September 2018 ist die sogenannte MINT-Lücke zwar um rund 15,5 Prozent gesunken. Sie liegt aber immer noch auf dem vierthöchsten Septemberwert seit Beginn der Aufzeichnungen.
Der leichte Rückgang der Arbeitskräftenachfrage in MINT-Berufen liegt laut Studienautoren auch an der schwächeren Konjunktur in Deutschland. In der IW-Studie heißt es, der konjunkturelle Einbruch mache sich auch bei der Entwicklung von offenen Stellen und Arbeitslosen in den MINT-Berufen bemerkbar, "wenn auch in erstaunlich geringem Maße". So bliebe weiterhin eine hohe Lücke bestehen.
Energie- und Elektroberufe mit größten Lücken
Den größten Arbeitskräftebedarf nach Branchen sieht die Studie in den Energie- und Elektroberufen. Hier fehlen derzeit rund 81.900 Fachkräfte. Auch mittel- und langfristig werde sich am Arbeitskräftebedarf nichts ändern. Dieser werde sogar "stark zunehmen". Zugleich sei in den kommenden Jahren ein starker Rückgang beim MINT-Nachwuchs zu erwarten. Die Arbeitsbedingungen in den entsprechenden Berufen seien daher weiterhin sehr gut.
Das durchschnittliche Monatsbruttoeinkommen eines vollzeitbeschäftigten MINT-Akademikers lag 2021 bei 5900 Euro und damit über dem Akademikerdurchschnitt. MINT-Akademikerinnen und Akademiker seien außerdem mit 35 Prozent Anteil häufiger in leitenden Positionen beschäftigt als andere Akademiker.
Demografische Entwicklung auch ein Faktor
Für die Zukunft sehen die Studienautoren einen deutlich steigenden Bedarf an Fachkräften. So seien für die Entwicklung klimafreundlicher Technologien und Produkte in den kommenden fünf Jahren IT-Expertinnen und -experten von besonderer Bedeutung. Der jährliche Bedarf an MINT-Kräften steige auch aus demografischen Gründen.
Aktuell schieden jährlich rund 64.800 MINT-Akademikerinnen und -Akademiker aus dem Job aus, die nachbesetzt werden müssten. In fünf Jahren werde dieser Bedarf auf jährlich 74.100 Personen steigen. Bei den MINT-Facharbeiterinnen und -Facharbeitern müssten in fünf Jahren sogar rund 272.000 Fachkräfte jährlich ersetzt werden. Insgesamt steige der sogenannte jährliche demografische "Ersatzbedarf an MINT-Kräften" in fünf Jahren um 21.500 Personen.
Problematisch sei die Aussicht, dass ein deutlicher Rückgang beim "inländischen Nachwuchs" zu erwarten sei. Die Zahl der Studienanfänger in MINT-Fächern sei von 2016 auf 2022 von 198.000 Studienanfänger auf nur noch 176.300 gesunken. Die Studienautoren gehen davon aus, dass dieser Trend anhalten werde. Für die kommenden Jahre sei besonders bedenklich, dass die Kompetenzen in Mathematik bei Schülerinnen und Schülern deutlich gesunken seien. Dies könne sich negativ auf das Potenzial an Studienanfängerinnen und -anfängern in den MINT-Fächern auswirken.
Mehr Frauen und Zuwanderer für MINT-Berufe gewinnen
Neben der Problembeschreibung schlagen die Studienautoren auch Lösungsansätze vor. So sei es wichtig, mehr Frauen für MINT-Berufe zu gewinnen. Dafür sei es zum Beispiel hilfreich an Schulen bessere Feedbacksysteme zu etablieren, damit "Mädchen und junge Frauen ihre vorhandenen MINT-Stärken besser erkennen".
Außerdem sei es nötig, Potenziale der Zuwanderung zu erschließen. Dafür sollten die Chancen des neuen Fachkräfteeinwanderungsgesetz besser genutzt werden, "indem die bürokratischen Prozessen deutlich beschleunigt werden". Um die Zuwanderung über das Bildungssystem auszuweiten, sollten Kapazitäten weiter gestärkt werden und Programme zur Begleitung und finanziellen Unterstützung der Bildungsteilnehmerinnen und -teilnehmer aus dem Ausland ausgebaut werden.
Aber auch das Bildungssystem im Allgemeinen müsse verbessert werden. Dafür schlagen die Autoren vor, die frühkindliche Bildung zu stärken, hochwertige Ganztagsangebote auszubauen und über einen "Sozialindex" Mittel zur individuellen Förderung der Kinder und Jugendlichen zur Verfügung zu stellen.