Forscher zu Wirtschafts-Schulbüchern "Ökonomisches Denken kommt zu kurz"
Forscher der Uni Siegen haben sich mit Schulbüchern zum Thema Wirtschaft befasst. Sie fanden viele Fehler, klischeehafte Rollenbilder und bemängelten vor allem, dass ökonomisches Wissen nur schlecht vermittelt werde.
Ökonomische Bildung kommt an den Schulen in Deutschland zu kurz. Das ist das Ergebnis der Studie "Marktwirtschaft und Unternehmertum in Schulbüchern" des Zentrums für ökonomische Bildung an der Universität Siegen. Die Autoren haben im Auftrag des Verbands Die Familienunternehmen/Die jungen Unternehmer und der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit 40 Schulbücher für die Fächer Wirtschaft, Politik, Sozialwissenschaften, Geschichte und Geografie der Sekundarstufen I und II untersucht.
Meinung statt Wissensvermittlung
"Schulbücher vermitteln nur selten ökonomisches Denken", sagt Nils Goldschmidt im Gespräch mit tagesschau24. Er ist Professor für Kontextuale Ökonomik und Ökonomische Bildung an der Universität Siegen und Mitautor der Studie. Das Problem sei, dass in den Schulbüchern zwar viel über Wirtschaft gesprochen und geschrieben werde, aber nicht aus einer ökonomischen Perspektive.
Als Beispiel führt er den Zertifikatehandel zur Beschränkung von CO2-Emissionen an. Es gehe in der Literatur primär darum, dass Schüler diesen Zertifikatehandel beurteilen sollen. Es gehe um Meinung statt um Wissen. Die Wissensvermittlung - in diesem Fall, wie Klimaschutzanreize mit Zertifikaten funktionieren - finde nicht statt. "Das ist so, als würde man Englisch unterrichten ohne englische Grammatik", sagt Goldschmidt.
Staat statt Unternehmertum im Fokus
Stattdessen fehlten wichtige Themen: Unternehmertum werde kaum vermittelt - insbesondere nicht in den Schulbüchern der Oberstufe. Dafür stehe der Staat stark im Fokus: "60 Prozent des Materials, das wir analysiert haben, dreht sich um den Staat", sagt Goldschmidt. Der Staat sei der "paternalistische Problemlöser", der Dinge angehe, der Markt hingegen trete als "Problemerzeuger" auf. Damit würden junge Menschen nicht motiviert, sich ebenfalls selbst auszuprobieren.
Ein weiteres Problem: Vielfach würden Frauen nicht als Vorbilder, als Managerinnen, als Unternehmerinnen thematisiert, sondern eher klischeehaft. Stattdessen würden Männer in Führungspositionen als Supermarktchefs, die mit ihren Kassiererinnen sprechen, dargestellt. "Es ist problematisch, was da für ein Bild vermittelt wird", resümiert Goldschmidt.
Fehler statt Motivation
Zudem fielen den Studienmachern gravierende Fehler auf - etwa, dass Polen den Euro eingeführt habe. Auch ein Beispiel zur Berechnung des Bürgergelds sei fehlerhaft. Ethisch bedenkliche Beispiele fänden sich ebenfalls. Eines der untersuchten Bücher spricht beim Thema Mindestlohn von "Menschen, die als Fachkräfte nicht zu gebrauchen sind", zitiert Goldschmidt aus einem der Bücher. "So mit Menschen umzugehen, erscheint uns mehr als bedenklich."
Forscher fordert mehr ökonomische Bildung
Die Schlussfolgerungen der Studie: Ökonomische Bildung müsse verstärkt werden, weil sie im Unterricht viel zu kurz komme. Es gehe darum, Wirtschaft lebendig zu machen, zu vermitteln, wie Wirtschaft funktioniert und wie Ökonomie helfen kann, bestimmte Probleme zu lösen.
Ökonomische Bildung müsse fehler- und ideologiefrei sein, fachlich fundiert, lebensnah und von gut ausgebildeten Fachleuten vermittelt werden. Außerdem müsse sie Teil der Aus- und Fortbildung von Lehrerinnen und Lehrern sein, fordern die Autoren. "Es gibt viel zu verbessern."