Das Haus von Ehepaar Jacobs am Osnabrücker Stadtrand, Stadtteil Haste.

Wohnungsmarkt Viel Leerstand bei älteren Menschen

Stand: 16.02.2025 08:39 Uhr

Nachdem die Kinder ausgezogen sind, steht bei vielen älteren Menschen Wohnraum leer. Das birgt ein großes Potenzial für den Wohnungsmarkt, sagen Experten. Doch in der Praxis gibt es Hürden.

Von Göran Ladewig, NDR

Familie Jacobs hat in ihrem Reihenhaus im niedersächsischen Osnabrück einst zu viert gelebt. Doch längst sind die Kinder ausgezogen, die Eltern leben allein auf 130 Quadratmetern. Elisabeth und Klaus Jacobs wissen die Zimmer durchaus kreativ zu nutzen, würden aber trotzdem lieber auf weniger Fläche leben.

Denn der Unterhalt wird mit dem Alter nicht leichter. Die Zimmer putzen, den Garten pflegen, Handwerker bestellen. Das kostet Kraft und Zeit. Hinzu kommen die Heizkosten. "Das Wärmebedürfnis wird größer", stellt Klaus Jacobs fest. Und da sich das Ehepaar im Winter ohnehin nur in wenigen beheizten Zimmern aufhalte, möchten die beiden lieber in eine kleinere Wohnung ziehen.

Dabei denken die Jacobs auch an andere: Je weniger Wohnraum sie nutzen, desto weniger Aufwand werden ihre Kinder eines Tages bei der Haushaltsauflösung haben. Außerdem möchte das Ehepaar gern seinen überschüssigen Wohnraum an jüngere Familien abgeben. Denn für solche wurde das Reihenhaus in den 1970er-Jahren gebaut.

Elisabeth und Klaus Jacobs in ihrem Wohnzimmer.

Elisabeth und Klaus Jacobs in ihrem Wohnzimmer.

Seniorengerechter Wohnraum für viele zu teuer

Die Jacobs sind seit drei Jahren auf der Suche nach einer neuen Wohnung. Wie viele Senioren wünschen sie sich eine Wohnung in der Nähe ihres jetzigen Hauses. Klaus und Elisabeth Jacobs schätzen das viele Grün in ihrem Wohngebiet, die kurzen Wege in Naherholungsgebiete und die gute Anbindung mit dem Bus. Würden sie weiterhin in der Nähe wohnen, könnten sie in den gewohnten Läden einkaufen gehen und hätten es nicht weit zu Freunden und Bekannten.

Das Ehepaar hatte bereits einen Neubau im Auge, der diesen Ansprüchen genügen würde. Er steht nur wenige hundert Meter von ihrem jetzigen Haus entfernt und ist dank Aufzug barrierefrei. Die Jacobs würden sich für eine etwa 80 Quadratmeter große Eigentumswohnung entscheiden.

Allerdings fehlt ihnen das Geld dafür. Die beiden vermuten, mit dem Verkauf ihres Hauses nur ungefähr die Hälfte der Kaufsumme der Wohnung erlösen zu können. "Und ein Kredit in unserem Alter wird auch teuer", ergänzt Klaus Jacobs. Das finanzielle Missverhältnis ist für viele Senioren das größte Hemmnis bei ihren Umzugsplänen.

"Architektonisch nicht unser Traumhaus", aber günstig gelegen: Das Wunschhaus der Jacobs.

"Architektonisch nicht unser Traumhaus", aber günstig gelegen: das Wunschhaus der Jacobs.

Experte: Millionen Wohnplätze im Bestand

Wohnraum-Experte Daniel Fuhrhop empfiehlt daher eine kostengünstigere Variante: Anstatt umzuziehen, könnten Senioren in ihrem bestehenden Haus Platz für weitere Bewohner schaffen, beispielsweise eine zweite Wohnung einrichten. Darin sieht der selbsternannte "Wohnwendeökonom" ein gewaltiges Potenzial. Er schrieb seine Doktorarbeit über das Thema.

Nach Zahlen des Statistischen Bundesamts lebten rund elf Millionen Menschen in Deutschland auf deutlich mehr Fläche als eigentlich nötig. Das biete rein mathematisch Potenzial für 20 Millionen Wohnplätze im Bestand. Selbst wenn nur ein Zehntel aller Haus- und Wohnungsbesitzer sich dafür entscheide, könnte aus dem Bestand mehr Wohnraum entstehen "als derzeit durch mehrere Jahre des Neubaus". Da dieser im Moment stockt, sei die Nachfrage nach Wohnraum ohne effizientere Nutzung des Bestandes gar nicht zu befriedigen.

Voraussetzung sei allerdings, dass die Kommunen Wohnraum-Eigentümer besser berieten und unterstützten. Fuhrhop erlebe ein großes Interesse bei den Menschen, etwas zu verändern. Viele trauten sich diese Schritte aber nicht allein zu. Sie würden "im Regen stehen gelassen".

Kostengünstigere Variante: Umbau

Das Osnabrücker Ehepaar Leufker hat es wie vom Experten empfohlen umgesetzt und sich für einen Umbau entschieden. Die oberen beiden Stockwerke des Zweifamilienhauses haben sie zu einer separaten Wohnung umfunktioniert. Heinz Leufker ließ dafür eine Trennwand sowie zwei neue Türen im Eingangsbereich einbauen.

In der neu entstandenen Wohnung lebt seit wenigen Jahren eine junge Lehrerin. Ihre Wohnungssuche hat sich dadurch deutlich verkürzt. Außerdem profitieren beide Seiten voneinander. Das Ehepaar und die junge Frau helfen sich gegenseitig und unterhielten sich viel miteinander, sagt Gabi Leufker: "Wir mögen uns, ich mag sie sehr."

Solche Umbauten ungenutzten Wohnraums unterstützt die Stadt Osnabrück mit bis zu 7.500 Euro. Lange sei das Interesse daran marginal gewesen, heißt es von der städtischen Kontaktstelle Wohnraum. Mittlerweile steige es an.

Heinz Leufker als Architekt im Ruhestand hat den neuen Eingangsbereich entworfen.

Heinz Leufker als Architekt im Ruhestand hat den neuen Eingangsbereich entworfen.

Nicht zu lange warten

Für das Ehepaar Jacobs mit ihrem Reihenhaus am anderen Ende Osnabrücks kommt ein Umbau nicht in Frage. Dafür sei ihr Haus ungeeignet. So ist zum Beispiel für ein zweites, vollwertiges Badezimmer nicht genug Platz. Daher haben sich die beiden jetzt bei einer Wohnbaugenossenschaft für eine Mietwohnung auf die Warteliste setzen lassen.

Mit ihren 66 und 65 Lebensjahren beschäftigen sich Elisabeth und Klaus Jacobs verhältnismäßig früh mit dem Thema. Wichtig ist beiden Ehepaaren: Den eigenen Wohnraum zu verkleinern, das sollten Senioren nicht zu spät angehen. Je älter sie werden, desto mühsamer fallen den meisten Veränderungen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete NDR aktuell am 11. April 2024 um 06:00 Uhr.