Nach den Wahlen in den USA "Treibhausgase kann man nicht abwählen"
Nach und nach wird bekannt, was Donald Trump in seiner kommenden Amtszeit plant. Die Außenpolitik, die Wirtschaft und die Gesundheitspolitik - alle Bereiche machen sich Gedanken. Auch die Wissenschaften.
Die Welt ringt - mit sich, mit den großen Krisen dieser Zeit, mit dem Klimawandel. Das war gerade erst wieder zu beobachten bei der Weltklimakonferenz in Baku. In Karlsruhe wirkt Chris Funk ganz entspannt. Der Klimaforscher aus Kalifornien steht mit einem freundlichen Lächeln im 13. Stock des Physikgebäudes auf dem Campus des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT).
Wenig später soll er mit einem Exzellenzpreis für seine Forschung zur Vorhersage von Dürren und Niederschlägen ausgezeichnet werden. Der weite Blick über die Stadt ist beeindruckend, der Wissenschaftler sinniert: "Es ist seltsam, jetzt gerade so einen Preis zu bekommen." Klar freue er sich sehr, aber seit der Wiederwahl von Donald Trump ist das Glücksgefühl mehr als eingetrübt. "Ich war am Boden zerstört," sagt Funk, wenn auch nicht überrascht, "schließlich bin ich Statistikexperte."
Chris Funk, Direktor des Climate Hazards Center (CHC) an der Universität von Kalifornien in Santa Barbara, erhält den diesjährigen "International Excellence Award of KIT" und das "Fellowship of SCHROFF Foundation". Das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) würdigt damit seine interdisziplinäre Forschung zu Klimawandel, Extremwetter und Ernährungssicherheit.
Forschung an Vorhersagemodellen
Seit vielen Jahren forscht der Klimatologe zu Vorhersagemodellen, die Regenmengen und Dürren prognostizieren sollen - vor allem für Regionen in Ostafrika. Das Ziel: Hungerkatastrophen, wie sie immer wieder in Ländern wie Somalia aufgetreten sind, zu vermeiden, indem man frühzeitig potenziell problematische Wetterentwicklungen erkennt und Gegenmaßnahmen ergreifen kann - zum Beispiel, indem dürrebeständigere Getreidesorten angebaut werden und Feuchtigkeit besser gespeichert wird, um die Ernte zu retten, wenn eine Regenzeit ungewöhnlich trocken ausfällt.
Oder auch um rechtzeitig humanitäre Hilfe vorzubereiten, damit Menschen in einem Dürregebiet versorgt werden können. Wetterextreme nehmen zu, Regen- und Trockenzeiten werden unverlässlicher für die Bauern. Der Klimawandel spielt bei diesen Entwicklungen eine große Rolle. Die Treibhausgas-Emissionen auf der Welt seien zu hoch, betont der Forscher. Das sei schon vor der US-Wahl so gewesen, aber nun sei der Kampf dagegen noch schwieriger geworden.
"Nachhaltigkeit und die Energiewende werden in den Hintergrund treten", sagt auch Jan S. Hesthaven mit Blick auf die andere Seite des Atlantiks. Der dänische Mathematiker ist seit Kurzem Präsident des KIT, hat aber viele Jahre in den USA gearbeitet und geforscht. Er befürchtet Kettenreaktionen, wenn Forschung politisiert wird - mit Auswirkungen auch auf die internationale Zusammenarbeit.
Studenten aus dem Ausland könnten fern bleiben
Trump hat sich immer wieder besonders gegen China und den Iran positioniert, in einigen republikanischen Bundestaaten wie Texas und Florida haben Trump-nahe Politiker vorgeschlagen und teilweise durchgesetzt, dass es etwa für Chinesen und Iraner deutlich schwieriger wird, an öffentlichen Universitäten zu studieren oder zu arbeiten.
Für das stark auch auf ausländischen Studierenden und Forschenden basierende US-amerikanische Wissenschaftssystem könnte das inhaltlich wie finanziell schwerwiegende Folgen haben, erklärt Hesthaven. Gerade aus China kommen viele Studierende, die Geld ins System bringen über die hohen Studiengebühren. Zugleich sind Chinesen oft gut ausgebildet sind und für die US-Institutionen wertvolle Mitarbeitende. Sollten die geopolitischen Spannungen in die Wissenschaft kippen, hätte das aber auch Effekte auf Europa, betont der KIT-Präsident: "Wenn zum Beispiel eine deutsche Institution mit einer chinesischen oder iranischen Einrichtung in nicht-sensiblen Bereichen kooperiert, könnte dies eine Zusammenarbeit mit US-Institutionen in allen Forschungsbereichen ausschließen."
Forschungsgelder könnten fehlen
Hesthaven und Funk sind auch besorgt wegen Trumps neuer Regierung, die - vorsichtig ausgedrückt - nicht viel Gutes verspricht für die faktenbasierte Wissenschaft. Die designierte Bildungsministerin ist vor allem durch ihre Expertise im Wrestlingbusiness bekannt geworden, der voraussichtlich neue Gesundheitsminister als Impfgegner und Verschwörungstheoretiker. Als Energieminister ist ein Manager aus der Fracking-Industrie nominiert, der die Klimakrise leugnet, und Trump selbst hat schon angekündigt, dass er Ölförderung in den USA nach oben schrauben will.
Die Arbeit von Klimaforscher Funk hängt stark auch von föderalen Mitteln ab - wichtige Gelder für die Forschung zu Dürren und Hungersnöten in Ostafrika bekommt er etwa von der staatlichen Agentur für Entwicklungszusammenarbeit.
Bei der ersten Trump-Präsidentschaft hätten er und seine Kollegen sich große Sorgen gemacht, seien am Ende aber verschont geblieben. Diesmal hofft er, ähnlich weiterarbeiten zu können, sicher aber ist er nicht, denn es gebe einen entscheidenden Unterschied: Die Leute, die Trump 2016 für seine Regierung ausgesucht habe, seien zumindest "einigermaßen qualifiziert" in ihren Bereichen gewesen.
Forschende könnten nach Europa kommen
Das sei dieses Mal anders, es gehe offenbar viel stärker darum, bestehende Strukturen zu zerschlagen. Klar ist für Funk aber auch: "Man kann in Amerika Dinge verändern, indem man anders wählt, aber man kann Treibhausgase nicht einfach abwählen." Klimaforschung funktioniere nur in der internationalen Zusammenarbeit. Und ja, er habe nun schon mal drüber nachgedacht, dass er vielleicht auswandern würde, "wenn‘s richtig schlimm wird."
Auch KIT-Präsident Hesthaven beschäftigen solche Gedanken - allerdings aus einem anderen Blickwinkel, als Chef einer Wissenschaftsinstitution, die immer auf der Suche nach den Besten ist. Zwar wünscht er sich keine Verschlechterung des US-Bildungs- und Forschungssystems, aber die Unzufriedenheit von Forschenden könnte "Möglichkeiten für europäische Institutionen bieten - als Hafen für internationale Talente und akademische Führungspersönlichkeiten" und auch dazu führen, dass Spitzenleute aus den USA nach Europa zurückkehrten.
Auch oder gerade weil Vorhersagen sein Fachgebiet sind, will sich Chris Funk nicht zu pessimistisch geben. Mit seinem freundlichen Lächeln sagt er zum Abschied, er hoffe, dass die ganze Aufregung in drei Jahren wieder vorbei sei, wenn die Leute gemerkt hätten, dass auch mit Trump nicht plötzlich auf magische Weise alles besser sei.