Alarmsignale im Süden Afrikas Gefahr für den Brillenpinguin
Überfischung, Klimawandel und die Zerstörung der Brutgebiete bedrohen die Bestände des afrikanischen Brillenpinguins. Wissenschaftler warnen zum "African Penguin Awareness Day" davor, dass er aussterben könnte.
Da stehen sie auf ihrem Felsen, leicht durchnässt, wie Wartende im Regen an einer Haltestelle. Wartende, die jegliche Hoffnung verloren haben, dass der Bus vielleicht doch noch kommt. Wenn sie Pech haben, dann wird ihr Bus nie mehr kommen. Der Bus, der sie in Sicherheit bringt, der Bus, der sie vor dem Aussterben bewahrt.
Die Wartenden, das sind Brillenpinguine. Ihre Haltestelle, das ist Dassen Island, neun Kilometer vor der Küste Südafrikas im Atlantischen Ozean, 50 Kilometer nördlich von Kapstadt. Vor 90 Jahren lebten allein auf der Insel noch eineinhalb Millionen Brillenpinguine, heute sind es afrikaweit nur noch 65.000. Wie sie da so stehen, auf ihrem Felsen, sehen die Pinguine auf Dassen Island traurig aus, als ob sie wüssten, was ihrer Art bevorsteht.
Brillenpinguine laufen am Strand. Vor 90 Jahren lebten allein auf Dassen Island noch eineinhalb Millionen Brillenpinguine, heute sind es afrikaweit nur noch 65.000.
Population drastisch gesunken
Brillenpinguine, auf Englisch heißen sie African Penguins, sind vom Aussterben bedroht. Ihren deutschen Namen haben sie davon, dass um ihre Augen herum ein rosa Fleck im Federkleid zu sehen ist. Die Zahl der Brillenpinguine ist in den letzten 100 Jahren um 99 Prozent gesunken, sagen die Wissenschaftler in der Kapstädter Two Oceans Aquarium Stiftung. Wenn nicht dringend etwas dagegen unternommen werde, dann könne der wildlebende Brillenpinguin schon in 12 Jahren ausgestorben sein.
Wildlebende Brillenpinguine jagen in küstennahen Gewässern. Dort aber gibt es nicht mehr genug Fische, und je weiter sie hinausschwimmen, desto gefährlicher wird es dort für sie. Ein Bewusstsein für die Bedrohung sei in der Bevölkerung kaum vorhanden, heißt es bei Umweltschützern und Wissenschaftlern. "Artenschutz ist harte Arbeit", sagt Judy Mann von der Two Oceans Aquarium-Stiftung. "Manchmal habe ich den Eindruck, dass viele Menschen Artenschutz gar nicht interessiert."
Skelette mit Federn
Ein ausgewachsener Brillenpinguin, wissenschaftlicher Name Spheniscus demersus, kann bis zu 20 Jahren alt werden, ist 60 bis 70 Zentimeter groß und wiegt zwischen zweieinhalb und drei Kilogramm. Nicht aber AP594.
AP594 wiegt nur 960 Gramm. Anfang Oktober wurde er zu SANCCOB nach Kapstadt gebracht, einer Stiftung zur Bewahrung der Vogelwelt, und dort mit dem Kürzel AP594 gekennzeichnet.
Ein fast verhungerter Pinguin. Er wird von der Organisation South African Foundation for the Conservation of Coastal Birds wieder aufgepäppelt.
SANCCOB, das steht für South African Foundation for the Conservation of Coastal Birds. AP594, so sagt SANCCOB, sei dabei zu verhungern, er sei eigentlich nur noch ein Skelett mit Federn. Sein Herzschlag ist niedrig und unregelmäßig, er ist dehydriert und ein leises Rasseln kommt aus seinen Lungen. Jetzt wird er gefüttert, sie hoffen, dass sie ihn in 2 Monaten wieder auswildern können. 53 weitere Skelette mit Federn hat SANCCOB dieses Jahr schon aufgenommen, darunter auch Küken. Wildhüter haben sie gefunden, oder aber Wanderer.
Klimawandel, Fischerei, Zerstörung von Brutgebieten
Der Klimawandel zerstört den Lebensraum der Brillenpinguine, so die Forschenden. Überfischung nehme ihnen die Nahrungsgrundlage. Die zunehmende Verbauung von Küstenabschnitten richte große Schäden an. Verschmutzung durch Öl-Teppiche spiele eine Rolle, auch der Plastik-Müll in den Meeren.
Besonders aber die Überfischung ist ein Problem. Shanet Rutgers vom Two Oceans Aquarium sagt: "Wir überfischen zu sehr. Das ist vor allem ein Problem, wenn die Pinguine brüten. Wir nehmen ihnen ihre Nahrung weg." Besonders dramatisch wirke sich das auf die Brutgebiete aus. SANCCOBBs David Roberts ergänzt: "Zu viele Sardellen werden gefischt und dann in Tierfutter oder gar in Düngemitteln verarbeitet. Wenn wir Menschen damit aufhören würden, wäre das schon ein großer Fortschritt."
In Namibia ist die Situation noch schlimmer
In Südafrikas westlichem Nachbarland Namibia waren die Brillenpinguin-Bestände jahrelang stabil. Jetzt gehen sie auch dort dramatisch zurück. "Brillenpinguine sind in Namibia sogar noch gefährdeter als in Südafrika. Denn in den Gewässern vor Namibia gibt es noch weniger Fische als in den Gewässern Südafrikas", so Roberts. Hier fischen nicht nur örtliche Fischer, sondern auch die großen Trawler aus Russland, aus der EU.
Die Bestände von Sardinen und Sardellen waren so sehr zurückgegangen, dass nach diesen Fischen zuletzt gar nicht mehr gefischt wurde. Schätzungen zufolge gibt es in Namibia daher mittlerweile weniger als 5.000 Pinguin-Brutpaare. "Wir müssen wirklich dafür sorgen, dass Bestände, die wir dem Meer entnehmen, auch wieder auf natürliche Weise ersetzt werden", so Roberts.
Auch in Namibia gelten die Brillenpinguine mittlerweile als bedroht.
Kanarienvögel der Ozeane
In den Bergwerken des südlichen Afrikas wurden früher Kanarienvögel eingesetzt, die vor Methangas warnen sollten. Sobald sie sich unter Erde in ihren Käfigen unwohl fühlten, oder gar umfielen und starben, wussten die Arbeiter, dass es höchste Zeit ist, den Stollen zu verlassen. Bis 1986 war das die Praxis.
Brillenpinguine, so heißt es, sind die Kanarienvögel der Ozeane. "Wenn die Zahl der Brillenpinguine nach unten geht, dann ist das ein Zeichen dafür, dass es auch anderen Arten im Ökosystem Ozean schlecht geht", so Roberts von SANCCOB. "Sie zeigen an, dass mit dem gesamten Ökosystem etwas falsch ist. Dass es das Ökosystem nicht mehr schafft, die Anzahl der Pinguine stabil zu halten."
Meeresraum-Planung
Südlich von Kapstadt liegt die Kleinstadt Simon’s Town, am Ufer der sogenannten False Bay. In diese Bucht waren vor hunderten von Jahren niederländische Segelschiffe auf dem Weg von Asien nach Europa gefahren, weil die Kapitäne dachten, kurz darauf würden sie in Kapstadt ankommen. Es war aber die Falsche Bucht, die False Bay, sie mussten umkehren und noch um das Kap der Guten Hoffnung fahren.
Jetzt sieht es so aus, als ob es die richtige Bucht für Südafrikas Brillenpinguine sein könnte. Ein Teil des Strandes von Simon’s Town heißt Boulders Beach, hier leben fast 10 Prozent der südafrikanischen Brillenpinguine. Hin und wieder sieht man die Tiere durch die Straßen des Ortes watscheln, als ob sie Touristen wären, die nur einmal sehen wollen, was Simon’s Town neben ihnen selbst noch so zu bieten hat.
Die Kleinstadt Simon’s Town. hier leben fast 10 Prozent der südafrikanischen Brillenpinguine. Denn die Fischerei wurde in den Gewässern stark eingeschränkt.
Fischerei wurde eingeschränkt
In den Gewässern um Simon’s Town herum wurde die Fischerei drastisch eingeschränkt, jetzt finden viele Pinguine hier wieder Sardinen und Sardellen, ihre Hauptnahrungsquelle. "Wir hoffen, dass dieses Verbot noch jahrelang gültig ist. Dass wieder Fisch nachhaltig in den Gewässern vorhanden ist. Damit es wieder genug Nahrung für den Brillenpinguin gibt. Wenn nicht, dann werden wir in einigen Jahren kein Pinguin-Baby mehr in Boulders Beach sehen", so Rutgers.
Roberts spricht von der Notwendigkeit von sogenannter ‚Meeresraum-Planung‘. Die Bedürfnisse der Menschen und die Bedürfnisse der Tiere müssten abgewogen werden, nur so könne ein neues Gleichgewicht in den Ozeanen entstehen. "Wenn wir daran arbeiten, dann ist es nicht unausweichlich, dass die Brillenpinguine aussterben", sagt Roberts. "Aber wir müssen daran arbeiten. Viel Zeit bleibt uns nicht."
Der Watschel-Tag
Am Samstag, den 14. Oktober ist Watscheltag. Überall in Südafrika sollen die Menschen auf die Straßen gehen und ein wenig watscheln, um ihrer Sympathie für den Brillenpinguin Ausdruck zu verleihen. Ein Bewusstsein für die Lage der Tiere soll geschaffen werden.
Die Aktion wird von der UNESCO, der UN-Organisation für Bildung, Wissenschaft und Kultur unterstützt. So süß das auch klingen mag, der Penguin Awareness Day hat einen dramatischen Hintergrund. Shanet Rutgers: "Der Brillenpinguin kämpft um sein Leben. Er kämpft gegen die feindliche Natur, er kämpft gegen den Menschen, er kämpft gegen das drohende Aussterben seiner Art."
In Kapstadt, Johannesburg, Pretoria, Durban und Gqeberha - dem früheren Port Elizabeth - wird gewatschelt werden. Solidaritäts-Veranstaltungen finden in den USA, Frankreich, Japan und in Mosambik statt. Denn der afrikanische Brillenpinguin ist nicht der einzige Pinguin, der vom Aussterben bedroht ist. Schon gibt es Anzeichen dafür, dass auch der südamerikanische Humboldt-Pinguin das gleiche Schicksal erleiden könnte.