Van-See in der Türkei Ein besonderer See schrumpft
Der Van-See im Osten der Türkei ist ein einzigartiges Ökosystem. Doch das ist in Gefahr - durch Klimawandel, intensive Landwirtschaft und Umweltverschmutzung. Ein Aktionsplan soll helfen.
Der Van-See ist der größte See der Türkei. Er ist sehr beliebt bei Touristen, die dort die einzigartige Natur genießen wollen. Doch auch hier schlägt der Klimawandel zu. Der See schrumpft und zwar dramatisch. Denn die Gegend leidet wie ein Großteil des Landes unter anhaltender Dürre. Wissenschaftler befürchten, dass die Probleme noch schlimmer werden könnten, weil der Van-See mit der Hitzewelle weiter austrocknet.
Größter See der Türkei
Der Van-See ist etwa 3.700 Quadratkilometer groß und bis zu 450 Meter tief. Seine Oberfläche ist in den letzten Jahren um rund 1,5 Prozent geschrumpft. Das sei viel, sagen Wissenschaftler. Für den anhaltenden Wasserverlust machen sie die steigenden Temperaturen verantwortlich, die zu weniger Niederschlag und übermäßiger Verdunstung führen.
Es verdunste fast dreimal so viel Wasser aus dem See, als vom Regen zurückkommt. Das Problem ist inzwischen so gravierend, dass die Behörden die örtlichen Landwirte auffordern, keine Pflanzen anzubauen, die zu viel Wasser benötigen. Außerdem finden Hirten immer weniger Wasser für ihr Vieh.
Das Wasser des Van-Sees in der Türkei ist an einigen Stellen um fast vier Kilometer zurückgegangen.
Experten schlagen Alarm
Der See ist belastet durch Verschmutzung, Trockenheit, Niederschlagsmangel und Verdunstung. Das hat ein alarmierendes Ausmaß erreicht. Die Niederschläge nahmen im Frühjahr um etwa 20 Prozent ab. Mustafa Akkuş, Dozent an der Fakultät für Fischerei der Yücüncü Gil Universität Van, verfolgt die Wasserressourcen im Van-Seebecken genau. Die Geschichte der Region sei von Dürren geprägt.
Laut Akkuş gibt es für den Van-See keinen Wasserzufluss von außen. Das Gewässer ist ein geschlossenes Becken. Damit ist er der größte sogenannte Soda-See der Welt, ohne Zu- oder Abfluss und mit ungewöhnlich hohem pH-Wert und gleichzeitig hohen Salzanteilen. Da der Van-See aufgrund der fehlenden Niederschläge im Winter und der hohen Verdunstung im Sommer drei- bis viermal mehr Wasser verliert, lenkt Akkuş die Aufmerksamkeit auf das Wassermanagement.
"Wir haben kein effektives Wassermanagement. Die Anbauflächen rund um die Flüsse in der Nähe des Van-Sees nehmen jedes Jahr zu. Der Bedarf an Wasser steigt also jedes Jahr. Aber das Wasser wird jedes Jahr knapper." Die intensive Bewässerung der Landwirtschaft sei also ein großes Problem. Man müsse umdenken, mahnt der Wissenschaftler.
Ein Umweltschützer mit den Kadavern verhungerter Möwen. Der im Van-See endemische Vankarpfen, Hauptnahrung der Möwen, begann seinen Zug wegen des sinkenden Wasserstandes in diesem Jahr früher. Der Vankarpfen ist nach Angaben von Wissenschaftlern der einzige Fisch, der im Van-See lebt.
Starke Verschmutzung
Auch die zunehmende Verschmutzung bereitet den Experten Sorgen, denn die Abwässer von mehr als einer Million Menschen fließen - oft ungefiltert - in den Van-See. Bis zu einem gewissen Grad kann jeder See Verschmutzung aufnehmen. Beim Van-See sei diese Grenze aber schon weit überschritten.
Die wohl einzige Lösung: Die Kläranlagen müssen mit voller Kapazität betrieben werden. Das scheitere aber oft an den hohen Kosten. Damit schade man sich aber selbst, denn der See und die umliegenden Naturgebiete sind die Lebensgrundlage für Zehntausende Menschen, vor allem in der Landwirtschaft und der Viehzucht. Des Weiteren sei der Van-See ein wichtiger Tourismus-Magnet. Experten befürchten nun, dass die Veränderungen in der Region zu einem wirtschaftlichen Umbruch und einer starken Abwanderung führen könnten.
Historische Schätze werden freigelegt
Der Rückgang des Seewassers hat aber nicht nur Nachteile: Plötzlich kommen bisher verborgene historische Schätze zum Vorschein. Zum Beispiel Dutzende von in den Felsen gehauenen Grotten, von denen man annimmt, dass sie aus der Urartu-Zeit (9. bis 6. Jahrhundert vor Christus) stammen. Viele Anwohner fordern nun, dass diese Funde von den Behörden katalogisiert und dann für den Tourismus freigegeben werden. Das könnte der abgelegenen Region einen Wirtschaftsschub geben und vielen Menschen hier in der wirtschaftlich gebeutelten Türkei eine neue Perspektive.
Regierung beschließt Rettungsmaßnahmen
Die Politik ist angesichts der drohenden Umweltkatastrophe alarmiert. Ein Aktionsplan zum Schutz des Sees soll Hilfe bringen. Das Projekt hat schon mit der Errichtung einer biologischen Kläranlage begonnen. Nun soll es Verbesserungen in den Bereichen Abwasserentsorgung, Bodenschlammreinigung und Abfallentsorgung geben. Offenbar ist das jetzt Chefsache. Die Frau des türkischen Präsidenten Emine Erdoğan hat sich vor kurzem vor Ort informiert. Dabei: Yücel Yılmaz, der Präsident der Union der Gemeinden der Türkei (UMT), und Gülşen Orhan, die Chefberaterin des Präsidenten.
Erste Ergebnisse: Bei der Grundschlammreinigung sollen bisher insgesamt weit über eine Million Kubikmeter Schlamm entfernt worden sein. Ob diese Maßnahmen aber dauerhaft reichen, um das einzigartige Ökosystem des Van-Sees in Zeiten des Klimawandels zu erhalten, ist unklar.