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US-Entwicklungshilfe Wie Menschen aus Myanmar unter dem USAID-Stopp leiden
Die USA haben ihre Entwicklungshilfe eingefroren. Das trifft auch viele Menschen aus Myanmar, die in thailändischen Camps Schutz vor dem Bürgerkrieg suchen. Hilfsorganisationen befürchten katastrophale Folgen.
Der 45-jährige Maung Lay liegt mit einem verbundenen Kopf im Bett. Er war nach einem epileptischen Anfall gestürzt. "Wir wissen nicht, wie es mit uns weitergeht", sagt er. "Wir haben kein Geld, um Medikamente zu kaufen. Wir werden alle sterben, wenn wir keine Medikamente mehr im Camp bekommen."
Lay lebt in einem Flüchtlingscamp in Thailand, an der Grenze zu seinem Heimatland Myanmar. Wie Zehntausende weitere Bürgerkriegsflüchtlinge ist er auf Hilfe von außen angewiesen. Einer der größten Geldgeber sind die USA. Lays Flüchtlingscamp hatte ein Krankenhaus und zwei Arztpraxen, wo sich Ärzte um fast 30.000 Menschen gekümmert haben. Jetzt ist alles geschlossen - weil US-Präsident Donald Trump die US-Entwicklungshilfegelder eingefroren hat.
Vielen Projekten droht das Aus
Die Entwicklung bestürzt Elaine Pearson, Vorsitzende von Human Rights Watch Asien. "Der Stopp der US-Auslandshilfe ist für ganz Südostasien wirklich katastrophal", erklärt sie. "Wir sprechen von humanitärer Hilfe, Krankenhäusern, Gesundheitsprogrammen, die geschlossen werden müssen. Menschen, denen Medikamente verweigert werden, denen Lebensmittel verweigert werden." Dazu käme die lebenswichtige Unterstützung für zivilgesellschaftliche Gruppen, Menschenrechtsgruppen und unabhängige Medien in der gesamten Region.
Auch die Hilfsorganisation Handicap International Deutschland ist stark vom vorläufigen Stopp der US-Hilfen betroffen. Die USA seien einer ihrer wichtigsten Geldgeber gewesen, erklärt die Vorsitzende Inez Kipfer-Didavi. "Wir mussten zahlreiche Projekte stoppen. Die Menschen vor Ort sind in Panik, fürchten tatsächlich um ihr Leben. Das berichten unsere Mitarbeitenden."
Hilfsprogramm auf Eis, entlassene Mitarbeiter
Die Organisation musste mehr als die Hälfte ihrer Mitarbeitenden in den betroffenen Projekten entlassen. In Myanmar haben sie Geflüchtete über die Gefahren von Landminen aufgeklärt und traumatisierte Kriegsflüchtlinge psychosozial betreut. In Laos haben sie mit US-Geldern die Schulbildung von Kindern mit Behinderung unterstützt. In Vietnam und Kambodscha haben sie dafür gesorgt, dass Menschen Arbeit finden. All das liegt aktuell auf Eis - angeblich nur vorläufig bis im April die Prüfung der Projekte abgeschlossen ist. "Teilweise haben wir Hoffnung und teilweise fürchten wir, dass die Gelder verloren sind", so Kipfer-Didavi.
Erschwerend kommt hinzu, dass nicht nur die USA, sondern auch viele europäische Länder, darunter Deutschland, ihre internationalen Hilfsgelder in den vergangenen Monaten stark gekürzt haben. Inflation, knappe Haushalte, mehr Geld für Rüstung - die Prioritäten scheinen sich zu verschieben.
Doch Kipfer-Didavi gibt die Hoffnung nicht auf, "dass angesichts der Dramatik der Lage, dass andere Regierungen dann doch einspringen, auch wenn sie das zunächst nicht möchten", sagt sie. "Da appellieren wir auch an die Bundesregierung, da einzuspringen und an die Europäische Union." Zudem gehe die Organisation aktiv auf Stiftungen zu, klopfe bei Unternehmen an und versuche, "Menschen zu mobilisieren, uns in ihrem Testament zu bedenken".
Hilfe aus Thailand, aber wohl zeitlich begrenzt
Der gestürzte Lay aus Myanmar hatte Glück, er bekommt derzeit Hilfe in einem staatlichen thailändischen Krankenhaus in der Nähe seines Camps. Thailands Innenminister Ansit Samphantharat hat versprochen, dass die Flüchtlinge in thailändischen Krankenhäusern behandelt werden, solange die US-Hilfen eingefroren sind. Die Frage sei, wie eine langfristige Lösung aussehen kann, sagt Elaine Pearson. "Denn ehrlich gesagt, die aktuelle Lage überlastet das thailändische System." Sie hofft, dass große Länder in der Nähe aushelfen werden, wie Australien, Neuseeland oder Japan.
Für die Familie von Pe Kha Lau kommt jede Hilfe zu spät. Die 71-Jährige war lungenkrank, bekam im Krankenhaus im Flüchtlingslager regelmäßig Sauerstoff. "Alle Patienten wurden nach Hause geschickt, als das Krankenhaus im Flüchtlingscamp schließen musste", erzählte ihr Schwiegersohn der Nachrichtenagentur Reuters. "Nicht nur meine Schwiegermutter, alle Patienten. Niemand durfte bleiben. Meine Schwiegermutter war in keinem kritischen Zustand als sie nach Hause kam. Ich bin mir sicher, nichts wäre passiert, wenn sie weiter Zugang zu einem Sauerstoff-Tank gehabt hätte." Jetzt bereiten sie ihre Beerdigung vor.
Im Camp laufen Kinder an einem geschlossenen Laden für Lebensmittel vorbei. An der Tür hängt die amerikanische Flagge und ein Schild mit den Worten "Finanziert durch die amerikanische Regierung“. Ob und wann dieser Laden wieder aufmacht, ist derzeit ungewiss.
In einer ersten Version hieß es, Handicap International habe weltweit mehr als die Hälfte der Mitarbeiter entlassen müssen. Tatsächlich sind es mehr als die Hälfte der Mitarbeitenden in den von den Kürzungen betroffenen Projekten.
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