
Scholz auf Münchner Sicherheitskonferenz Einmischung zugunsten der AfD "gehört sich nicht"
Nach der umstrittenen Rede von US-Vizepräsident Vance hat Bundeskanzler Scholz ihm Einmischung in den Wahlkampf in Deutschland vorgeworfen. Auf der Münchner Sicherheitskonferenz rief Scholz zu weiterer Unterstützung der Ukraine auf.
Bundeskanzler Olaf Scholz hat Äußerungen von US-Vizepräsident JD Vance zugunsten der AfD scharf zurückgewiesen und sich jede Einmischung in den deutschen Wahlkampf verbeten. Aus den Reihen der AfD seien der Nationalsozialismus und dessen monströse Verbrechen als "Vogelschiss der deutschen Geschichte" verharmlost worden, sagte der SPD-Politiker bei der Münchner Sicherheitskonferenz (MSC).
Ein Bekenntnis zum "Nie wieder", wie Vance dies zuvor beim Besuch der KZ-Gedenkstätte Dachau abgelegt habe, sei nicht mit der Unterstützung für die AfD in Einklang zu bringen. "Deshalb werden wir es nicht akzeptieren, wenn Außenstehende zugunsten dieser Partei in unsere Demokratie, in unsere Wahlen, in die demokratische Meinungsbildung eingreifen", sagte Scholz. "Das gehört sich nicht, erst recht nicht unter Freunden und Verbündeten, und das weisen wir entschieden zurück." Der Kanzler ergänzte: "Wie es mit unserer Demokratie weitergeht, das entscheiden wir selbst."
Vance warnte vor "Brandmauern" in Europa
Vance hatte die europäischen Verbündeten in seiner Rede bei der MSC scharf attackiert und vor einer Gefährdung der Demokratie gewarnt. Er nahm dabei indirekt Bezug auf die deutsche Debatte über eine Abgrenzung von der AfD: "Es gibt keinen Platz für Brandmauern." Am Rande der Konferenz traf er sich auch mit AfD-Chefin Alice Weidel. Ein Treffen mit Scholz gab es nicht. Das wurde vom Kanzleramt auf Terminschwierigkeiten zurückgeführt.
US-Präsident Donald Trump hatte die Stimmung zwischen den USA und Europa schon vor der Konferenz auf einen Tiefpunkt befördert. So kündigte er Strafzölle auf Stahl und Aluminium an, die auch die EU treffen. Zudem brüskierte er einen großen Teil seiner Verbündeten mit seinem aufsehenerregenden Telefonat mit Russlands Präsident Wladimir Putin und einem unabgestimmten Verhandlungsangebot zum Ukraine-Krieg.
Scholz: Wir geben Rüstungskooperation nicht auf
Trotz der Spannungen wird Deutschland die Zusammenarbeit mit den USA im Verteidigungsbereich Scholz zufolge nicht aufgeben. "Wir brauchen eine starke europäische Rüstungsindustrie. Mit einer permanenten Produktion der wichtigsten Munitions- und Waffengattungen in Europa", sagt der Kanzler in seiner Rede.
Dafür brauche man eine Bündelung der europäischen Bestellungen und die Zusammenarbeit der Rüstungsunternehmen, so Scholz. "Gleichzeitig sage ich: Wir geben die transatlantische Verschränkung unserer Verteidigungsindustrien nicht auf. Wir werden auch in Zukunft neue amerikanische Rüstungsgüter kaufen."
Scholz gegen Diktatfrieden für die Ukraine
Scholz ging in seiner Rede auch auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine ein. In den Verhandlungen mit Russland müsse auf eine "souveräne Unabhängigkeit" der Ukraine geachtet werden. Zudem müsse das Land in einem Frieden mit umfangreicher Militärhilfe zu wirksamer Selbstverteidigung befähigt werden.
"Die Ukraine muss am Ende jeder Verhandlungslösung über Streitkräfte verfügen, mit denen sie jeden erneuten russischen Angriff abwehren kann. Finanziell, materiell und logistisch wird das eine enorme Herausforderung", sagte der SPD-Politiker. Dafür würden die Europäer und transatlantischen Partner weiter gebraucht.
Ein Sieg Russlands oder ein Zusammenbruch der Ukraine würden keinen Frieden schaffen, warnte Scholz. Auch ein Diktatfrieden werde niemals die Unterstützung Deutschlands finden. "Wir werden uns auch auf keine Lösung einlassen, die zu einer Entkopplung europäischer und amerikanischer Sicherheit führt", sagte er.
Scholz warf Russland vor, die Lage bereits jetzt mit gefährlichen Aktionen gegen Staaten der transatlantischen Allianz zu eskalieren. Er nannte Sabotage von Unterseekabeln und anderer Infrastruktur, Brandanschläge, Desinformation und Versuche der Manipulation von demokratischen Wahlen.
Erneute Forderung nach Aussetzen der Schuldenbremse
Erneut sprach sich der Kanzler für ein Aussetzen der Schuldenbremse zur Finanzierung weiterer Milliardenhilfen für die Ukraine und eine Erhöhung der Verteidigungsausgaben aus. Dafür würden bis Ende dieses Jahrzehnts dreistellige Milliardensummen benötigt.
"Jeder, der behauptet, das könne man durch eine kleine Kürzung hier oder dort aus dem laufenden Haushalt heraussparen, der sagt den Bürgerinnen und Bürgern nicht die Wahrheit", sagte Scholz in Richtung des Oppositionsführers Friedrich Merz (CDU) ohne ihn namentlich zu nennen.
"Wir müssen deshalb unmittelbar nach der anstehenden Bundestagswahl die Schuldenbremse in unserem Grundgesetz reformieren", fügte Scholz hinzu. Ausnahmen seien sowohl für Investitionen als auch für Verteidigung nötig. "Und ich sage Ihnen heute voraus: Auch dafür wird es eine Mehrheit geben nach der Wahl."
Scholz für Ausnahme im EU-Stabilitätspakt
Scholz sprach sich zudem für eine Anpassung des Stabilitätspakts der EU zugunsten höherer Verteidigungsausgaben aus. Er schlage eine entsprechende Ausnahme vor "für alle Investitionen in Verteidigungsgüter, die oberhalb unseres bisherigen NATO-Ziels von zwei Prozent liegen", sagte Scholz. Diese Ausnahme solle "zeitlich befristet und unter Wahrung der fiskalischen Solidität aller Mitgliedstaaten" sein.
Reden von Merz und Habeck erwartet
Nach Scholz werden Merz und Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) auf der Hauptbühne der Münchner Sicherheitskonferenz im Hotel Bayerischer Hof auftreten. Alle ziehen als Kanzlerkandidaten ihrer Partei in die Bundestagswahl am 23. Februar.
Alice Weidel - Kanzlerkandidatin der AfD - ist zur Sicherheitskonferenz nicht eingeladen, nach München kam sie aber trotzdem. Auch FDP-Spitzenkandidat Christian Lindner hat sich in München angekündigt, hat aber keinen Auftritt auf der großen Bühne. Konferenzleiter Christoph Heusgen hatte AfD und BSW wie auch im Vorjahr von der Sicherheitskonferenz ausgeschlossen und das damit begründet, dass beide Parteien nicht dem Grundprinzip "Peace through dialogue, Frieden durch Dialog" der Konferenz entsprächen.