Bundestagswahl 2025
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BSW vor der Bundestagswahl Für Wagenknecht geht es ums Ganze
Sahra Wagenknecht ist das omnipräsente Gesicht und Namensgeberin ihres BSW. Doch nach Anfangserfolgen muss die junge Partei nun um den Einzug in den Bundestag bangen. Der Winterwahlkampf macht die Sache nicht leichter.
Es war ein kurzer, aber intensiver Winterwahlkampf - auch für Sahra Wagenknecht. Die Chefin des nach ihr benannten Bündnisses ist in den vergangenen drei Wochen quer durch die Republik getourt. An diesem Abend ist sie im Congress Centrum in Hannover. Knapp 1.000 Menschen sind gekommen, nicht alle haben einen Sitzplatz. In den letzten Reihen und am Rand müssen einige stehen. Auf der Bühne spielt eine Band zur Einstimmung die deutsche Version des russischen Friedensliedes "Schurawli" (zu deutsch: Kraniche). Es geht um gefallenen Soldaten, die sich vielleicht in Kraniche verwandelt haben und am Himmel ziehen.
Es ist Wagenknechts achter und vorletzter Wahlkampfauftritt. Jeden dritten Tag hat sie an einem anderen Ort zu ihren Fans gesprochen. Doch konnte sie das bislang nur einmal auf einem Marktplatz tun, und zwar in München gleich zu Beginn ihrer Tour, auf dem Marienplatz mitten in der Stadt. Genau mit dieser Art von Auftritten hatte Wagenknecht im vergangenen Herbst bei den Landtagswahlen im Osten gute Erfahrungen gemacht. Sie erzeugen Aufmerksamkeit. Da, wo schon einige sind, bleiben schließlich auch andere interessiert stehen. Auch das dürfte zu den guten Ergebnissen des BSW beigetragen haben.
Kampf um jede einzelne Stimme
Doch wegen der Sorge vor Kälte, Eis und Schnee hatte Wagenknechts Team für die nächsten Termine Hallen gebucht. Teilweise irgendwo am Stadtrand. Hier kommt her, wer schon Wagenknecht-Fan ist oder sich zumindest schon mal für das BSW interessiert. Laufpublikum eher nicht. Dabei kämpft Wagenknecht um jede einzelne Stimme, in Umfragen lag sie zuletzt unter der Fünf-Prozent-Hürde. Ein Einzug in den Bundestag ist ungewiss. Im Herbst mit mehr Zeit hätte man mehr Menschen erreichen können, heißt es deshalb etwas wehmütig aus Wagenknechts Umfeld. Allerdings war es auch Wagenknecht, die nach dem Ampel-Aus im November vehement schnelle Neuwahlen verlangt hat.
Das Fazit der Organisatoren von Wagenknechts Wahlkampftour fällt dennoch positiv aus. Überall, wo man gewesen sei, hätte der Platz kaum gereicht. Außer in Erfurt - da hätte ein Streik im Nahverkehr vielen, die eigentlich hätten kommen wollen, die Anreise erschwert. Dafür seien aber in Stuttgart, Kassel oder auch Bielefeld mehr Menschen gekommen als erwartet.
In insgesamt acht Großstädten war der Wahlkampftross zu Gast - darunter nur zwei im Osten. Was wohl auch an den Erfolgen bei den Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen liegen dürfte. Hier hat das BSW schon eine Basis. Wagenknecht schielt nun auf den Westen. Dort gibt es schließlich auch mehr Stimmen zu holen.
Co-Vorsitzende sind das Vorprogramm
Bevor Wagenknecht auf die Bühne kommt, dürfen zunächst andere aus dem BSW ran. Darunter ihre Co-Vorsitzende Amira Mohamed Ali. Das BSW sei die einzig echte Friedenspartei, macht sie gleich zu Beginn ihrer Rede klar. Alle andere seien für mehr Waffen an die Ukraine und würden sich bei den notwendigen Rüstungsausgaben überbieten. "Was für ein Wahnsinn", ruft sie laut ins Mikrofon, so dass es in der Halle hallt. Applaus hallt zurück.
Ali schimpft über die Energiepreise, das Verbrenner-Aus und einen verfehlten Kampf gegen rechts. Partei-Vize Shervin Haghsheno beklagt im Anschluss eine vermeintliche Einschränkung der Meinungsfreiheit. Den etablierten Parteien attestiert er autoritäre Tendenzen. Er spricht von Cancel Culture und einer Hetzjagd auf Minderheiten in der Corona-Zeit. Besonders viel Applaus bekommt er, als er die noch immer nicht erfolgte Aufarbeitung der Pandemie kritisiert. Nach dem Friedensthema für viele im Saal ein sehr wichtiger Punkt.
Als dritter und letzter Vorredner tritt Fabio de Masi auf die Bühne. Er sitzt seit Sommer für das BSW im Europaparlament, konnte bei der Wahl im Juni mit etwas mehr als sechs Prozent einen ersten Achtungserfolg einfahren. De Masi bescheinigt der Ampelkoalition eine "völlig verrückte Strategie" sowohl wirtschafts- als auch außenpolitisch. Die Sanktionen gegen Russland würden Deutschland mehr schaden als nutzen.
Wahl entscheidet auch über Wagenknechts Zukunft
Nach einer Dreiviertelstunde ist es dann endlich so weit. Auftritt von der Person, für die alle an diesem Abend hergekommen sind. Schon als Wagenknecht auf die Bühne kommt, gibt es teils frenetischen Applaus. Für sie ist das der unumstößliche Beleg dafür, dass der Zuspruch für ihre Partei nach wie vor groß sei - schlechte Umfragewerte hin oder her.
Wagenknechts Zweckoptimismus mag verständlich sein. Schließlich wird die Bundestagswahl über ihre politische Zukunft und auch die des BSW in seiner jetzigen Form entscheiden. In Interviews hat Wagenknecht bereits durchblicken lassen, dass sie sich ohne ein Abgeordnetenmandat wohl zurückziehen werde. Bei einigen Gästen im Publikum wird daraus aber auch schnell die Behauptung, die Umfragen seien manipuliert oder gar gefälscht.
Generalabrechnung mit der Ampel-Politik
Was dann von Wagenknecht folgt, ist eine Generalabrechnung mit der Ampel. Vor allem SPD und Grüne seien schuld, dass sich die AfD-Werte verdoppelt haben. Sie warnt aber auch vor Friedrich Merz, weil der CDU-Kanzlerkandidat der Ukraine Marschflugkörper liefern wolle. Neben dem Ukraine-Krieg geht es auch bei ihr um günstige Energie, Klimapolitik, Rente, Bildung und Meinungsfreiheit.
Wagenknechts Rede wirkt wie eine Wiederholung der an diesem Abend vorangegangenen Wortbeiträge, was allerdings auch wenig verwundert. Schließlich wollte das BSW genau mit diesen Themen Wahlkampf machen. Über ein anderes spricht sie an diesem Abend aber nicht: Migration.
Dass fast der gesamte Wahlkampf davon bestimmt war, zahle vor allem auf die AfD ein, heißt es aus dem Wagenknecht-Lager. Dagegen anzukommen und die eigenen Themen nach vorne zu bringen, sei nicht gelungen, heißt es selbstkritisch.
Applaus, Selfies - dann geht's weiter
Eine knappe Dreiviertelstunde spricht Wagenknecht ohne Zettel auf der Bühne. Es folgt minutenlanger Applaus, wie sie es von allen ihren Wahlkampfveranstaltungen gewohnt ist. Danach noch schnell ein paar Selfies. Dann muss der Wahlkampftross weiter.
Ihre Abschlusskundgebung will Wagenknecht am Brandenburger Tor in Berlin halten. Wieder draußen und damit wohl auch wieder mit viel Laufpublikum. Ob sie am Ende genug Menschen erreicht hat, um den Einzug in den Bundestag zu schaffen, wird das Ergebnis am Wahlabend zeigen.