Bundestagswahl 2025
SPD-Mann Olaf Scholz Der Kandidat mit dem Ampel-Ballast
Olaf Scholz tourt durch Deutschland. Er wirbt um Wählerstimmen und versucht in vielen Situationen, über seinen Schatten zu springen. Wo gelingt es ihm? Und wie ist der neue alte Kanzlerkandidat der SPD drauf?
Wie ein Fremdkörper wirkt Olaf Scholz auf dem grünen Samt-Sofa des YouTube-Formats "World Wide Wohnzimmer". Es ist einer der zahlreichen Termine seit Anfang des Jahres, auf denen Scholz nun versucht, anders Wahlkampf zu machen.
Seine Beliebtheitswerte sind schlecht, bei den jüngeren Wählerinnen und Wählern kommt die SPD gerade nicht wirklich an. Darum sitzt Scholz also bei dem YouTube-Format, in dem normalerweise Schauspieler, Comedians oder Musiker zu Gast sind.
"Warum tun Sie sich das hier an?", ist die Eingangsfrage des Moderators. "Ich tue mir ganz schön viel an, das hier ist nicht die größte Übung", kontert Scholz. Allerdings steht über allen Wahlkampfveranstaltungen von Scholz gerade, warum er sich das überhaupt noch einmal antut und wie er aus seiner Haut heraus kann, um noch einmal von sich zu überzeugen.
Scholz ist für seinen hanseatischen Humor bekannt, den nicht alle verstehen und lieben. Mit diesem Humor, gepaart mit Wahlslogans, zieht Scholz nun von Termin zu Termin. Sei es eben beim YouTube-Comedy-Format "World Wide Wohnzimmer", wo das Moderatoren-Team zwischenzeitlich mit ihm fremdelt.
Sei es Anfang des Jahres in Köln, wo Scholz sich bemüht, seine erste "Mini-Bütten-Rede" zu halten und er sich über sich selbst als "Scholzomat" lustig macht. Er kämpft derzeit um jede Stimme - von den Jungwählern bis hin zu den Karnevalisten - und versucht dabei, sein Image des Kanzlers der gescheiterten Ampelkoalition abzuschütteln. Doch das gelingt ihm nur bedingt.
Die SPD setzt auf Scholz' Erfahrung
Oft wird Scholz von Wahlkreiskandidaten oder sogar SPD-Ministern unterstützt, die vorab die Menschen im Saal in "Olaf"-Stimmung bringen sollen. So war es auch bei der Wahlkampf-Auftaktveranstaltung in der VW-Stadt Wolfsburg, wo die ganze niedersächsische SPD-Prominenz auftauchte - von Ministerpräsident Stephan Weil über Arbeitsminister Hubertus Heil bis hin zum Parteivorsitzenden Lars Klingbeil und dem Generalsekretär Matthias Miersch.
In flammenden Reden wird dann auf die langjährige Erfahrung von Scholz verwiesen: Seine Arbeit als Kanzler, als Finanzminister, als Arbeitsminister. Die Aufzählung der SPD ist dann lang: Scholz, der die Energiepreise niedrig gehalten hat, als der russische Angriffskrieg anfing und das Gas knapp wurde. Scholz, der für die Corona-Hilfen gesorgt hat, als er Finanzminister war - die Rettung für manche Unternehmen. Scholz, der mit der VW-Betriebsrätin telefonierte, als der Konzern den Stellenabbau plante.
Dass Scholz als Kanzler in den vergangenen Jahren bei den diversen Ampel-Streitereien zu spät oder auch zu zögerlich eingriff, darüber wird oftmals geschwiegen. Geschichten, die an Scholz ebenfalls kleben wie der Steuerskandal Cum-Ex oder auch die Wirecard-Affäre, werden gerne als alte Geschichten abgetan, bei denen ja alles nun geklärt sei.
Stattdessen arbeiten sich Scholz und die SPD an Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz ab. Scholz als der, der für den "normalen", den "fleißigen und anständigen" Bürger etwas tue gegen Merz, der nur die Reichen im Blick habe. Wer sich nun als normaler und anständiger Bürger angesprochen fühlen soll, bleibt vage.
Besonnener Außenpolitiker?
Gerne wird Scholz von der SPD als der außenpolitisch "Besonnene" inszeniert. Der "Olaf", der dem neuen US-Präsidenten Donald Trump Paroli bietet. Als Trump vor seiner Amtszeit erklärte, dass er Grönland in die USA eingliedern wolle, meldete sich Scholz zu Wort und verwies auf die "Unverletzlichkeiten der Grenzen".
Diese Macht als Noch-Kanzler hat er - und er nutzt sie im Wahlkampf auch aus. So erklärt Scholz bei der Wahlkampfveranstaltung in Wolfsburg, warum er sich plötzlich geäußert hat: "Das mit Grönland ist kein Witz. Ich habe etwas getan, was man tun muss: Nicht schweigen!"
Das Thema Außenpolitik spielt in den kommenden Wochen aber für ihn noch eine andere Rolle. Scholz beharrt derzeit darauf, dass für zusätzliche drei Milliarden Euro Hilfe für die Ukraine Kredite aufgenommen werden sollen - und das Geld nicht aus dem vorläufigen Haushaltsetat kommen kann.
Einen "Überschreitungs-Beschluss" nennt er das in Haushaltsdeutsch. Das sorgt für Kritik in der noch bestehenden Regierung, aber auch bei dem einen oder anderen Sozialdemokraten für Kopfschütteln.
SPD-Generalsekretär Matthias Miersch verteidigt den Kurs in der Neuen Osnabrücker Zeitung. Man könne der Ukraine nichts geben, was "wir unseren Rentnern oder den Kommunen wegnehmen müssten". Ohne Scholz beim Namen zu nennen, wettert Außenministerin Annalena Baerbock, es gehe darum, wie man schnell im Wahlkampf noch ein paar Stimmen gewinnen könne.
Der "Draußen-Olaf" muss es bringen
Die kommenden Wochen hofft die SPD nun darauf, dass der sogenannte "Draußen-Olaf" die Partei aus dem Umfrage-Tief bringen soll. Das ist der Olaf Scholz, der im Bürgerdialog nicht vom Prompter abliest, sich auf die Menschen und ihre Probleme einlassen soll und nicht so "scholzig" spricht wie bei seinen Bundestagsreden.
Den Streit in der Partei, ob der beliebtere Verteidigungsminister Boris Pistorius nicht doch der bessere Kanzlerkandidat gewesen wäre, verdrängen die Sozialdemokraten dabei. Doch man merkt in der SPD-Basis schon, dass sie nervös die Wahlkampfveranstaltungen von Scholz verfolgt und so mancher auch nicht mehr an den ganz großen Erfolg der SPD glauben will.
Schon längst wird über mögliche Koalitionspartner spekuliert und darüber, welche Rolle Scholz dabei in Zukunft noch spielen wird.
Scholz selbst ist dabei sehr klar: Unter einem möglichen Kanzler Merz will er nicht Mitglied im Kabinett sein. Er habe den Plan A, betont Scholz immer wieder, dass die SPD die Mehrheit bekomme und die Regierung anführen wird. Ein Satz, den er schon beim Bundestagswahlkampf 2021 gesagt hat. Damals hat ihm keiner geglaubt. Doch damals war er auch noch nicht drei Jahre Kanzler.