Angriff in Aschaffenburg Schuldzuweisungen und Rufe nach Asyl-Verschärfungen
Ungewöhnlich deutlich hat Kanzler Scholz nach dem Messerangriff von Aschaffenburg die bayerischen Behörden kritisiert. Bayern weist das zurück. Unions-Kanzlerkandidat Merz fordert derweil weitreichende Asyl-Verschärfungen.
Bei der Frage nach den Konsequenzen aus dem tödlichen Messerangriff von Aschaffenburg sieht Bundeskanzler Olaf Scholz vor allem ein Problem bei der Umsetzung bestehender Gesetze. Ungewöhnlich scharf kritisierte er hierbei die dafür Zuständigen in Bayern: "Es gibt offensichtlich Vollzugsdefizite, insbesondere bei den bayerischen Behörden, die ein großes Problem sind."
"Sie sollten sich an die Arbeit machen"
Es müsse aufhören, "dass nicht alle alles tun dafür, dass man diejenigen, die nicht hier bleiben können, hier nicht auch zurückführt", sagte Scholz. Es bedrücke ihn "zutiefst persönlich", was in Aschaffenburg passiert sei. Er werde deshalb nicht akzeptieren, dass diejenigen, die ihre Aufgaben machen müssen, sich damit beschäftigen, davon abzulenken, sagte Scholz bei einem kurzen Statement am Rande eines Wahlkampftermins in Erfurt. "Sie sollten sich an die Arbeit machen, das wäre gut für unser Land."
Seine Regierung habe mit Gesetzen die Möglichkeiten für Abschiebungen erleichtert. Er werde auch weiterhin alles dafür tun, diesen Kurs fortzusetzen, sagte Scholz genau einen Monat vor der Bundestagswahl. Er werde sich dafür dafür einsetzen, dass die Rückführungen steigen und dass sich die Zahl der irregulären Migranten reduziert.
Merz will "faktisches Einreiseverbot" für Menschen ohne Papiere
Zuvor hatte Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz drastische Maßnahmen angekündigt, sollte er die Bundestagswahl gewinnen. "Ich werde im Fall meiner Wahl zum Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland am ersten Tag meiner Amtszeit das Bundesinnenministerium im Wege der Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers anweisen, die deutschen Staatsgrenzen zu allen unseren Nachbarn dauerhaft zu kontrollieren und ausnahmslos alle Versuche der illegalen Einreise zurückzuweisen", sagte der CDU-Vorsitzende. Er wolle ein "faktisches Einreiseverbot" für alle Menschen ohne gültige Einreisedokumente.
Abschiebehaft für Zehntausende?
Merz forderte zudem einen massenhaften Abschiebegewahrsam von Personen, die ausreisepflichtig seien. Der Bund dürfe den Ländern nicht mehr die Abschiebung allein überlassen. "Der Bund muss auch so schnell wie möglich alle verfügbaren Liegenschaften zur Verfügung stellen, wie etwa leerstehende Kasernen und weitere Gebäude, Containerbauten auf abgeschlossenen Grundstücken, um die Zahl der Plätze im Abschiebegewahrsam signifikant zu erhöhen." Es sei inakzeptabel, dass nur 750 Plätze zur Verfügung stünden, obwohl es 42.000 "vollziehbar ausreisepflichtige" Personen gebe und weiteren 180.000 Personen, die zwar ausreisepflichtig seien, aber in Deutschland geduldet würden.
Die Bundespolizei müsse zudem Haftbefehle aussprechen können, wenn sie ausreisepflichtige Personen aufgreife. Merz begründete seine Forderungen damit, dass er es nicht hinnehmen wolle, dass diese Anschläge in Mannheim, Solingen und Aschaffenburg die neue Normalität in Deutschland würden. "Das Maß ist endgültig voll." Abschiebungen und Rückführungen müssten "täglich stattfinden" und die Zahl müsse endlich größer werden. "Wir stehen vor dem Scherbenhaufen einer in Deutschland seit zehn Jahren fehlgeleiteten Asyl- und Einwanderungspolitik."
Faeser kritisiert Bayern
Innenministerin Nancy Faeser erklärte in Berlin, es müssten mehrere Fragen aufgeklärt werden. Etwa, warum der Mann noch in Deutschland sei und warum er trotz der Gewalttaten noch auf freiem Fuß gewesen sei. Dabei kritisierte sie auch die bayerische Landesregierung: Offenbar seien dort "einige Dinge schiefgelaufen". Insofern sei "die Reaktion der Bayern befremdlich".
Auch bei der Umsetzung von Abschiebungen kritisierte sie die Länder: "Ich erwarte, dass die Abschiebungen, für die die Länder zuständig sind, auch passieren." Es brauche vor allem mehr Konsequenz in der Durchsetzung, der Rechtsstaat müsse mehr Härte zeigen.
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) wies die Kritik der Bundesregierung an den bayerischen Behörden zurück. Die Verantwortung über den tatverdächtigen 28-jährigen Afghanen habe beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) gelegen.
"Dublin-Center" als Reaktion
Mit Blick auf das derzeitige EU-Asylsystem sagte Faeser: "Die Dublin-Regeln funktionieren nicht mehr". Als Konsequenz der Tat von Aschaffenburg kündigte sie zwei Maßnahmen an: Zum einen sollen Teile der GEAS-Reformen vorgezogen werden. Dabei geht es um das neue Gemeinsame Europäische Asylsystem, eine Asylrechtsverschärfung, die die EU im vergangenen Jahr beschlossen hatte.
Zudem will Faeser sogenannte Dublin-Center schaffen, um Fälle von Menschen zu sammeln, die bereits in anderen Ländern Asyl beantragt haben und die es deshalb nicht noch in Deutschland tun können. Unter anderem sollten diese Menschen in Deutschland keine Leistungen mehr erhalten. Dies solle sicherstellen, dass sie schnell in die für sie zuständigen Länder zurückgeführt werden können.
Söder fordert "null Toleranz"
Auch der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) fordert eine verschärfte Migrationspolitik. Die Leitlinien müssten "null Toleranz" und "null Kompromiss" sein. "Die Migration überfordert unser Land", sagte Söder. Das gelte nicht nur in finanzieller Hinsicht. Deutschland sei ein "humanes Land", aber das könne "am Ende nicht auf Kosten der eigenen Bevölkerung gehen".
Die AfD-Bundeschefin und -Kanzlerkandidatin Alice Weidel drängte auf die konsequente Abschiebung von ausreisepflichtigen Migranten. Die Vorsitzende des BSW, Sahra Wagenknecht, sprach von einem Versagen des Kanzlers und seiner Innenministerin. Sie forderte Korrekturen in der Asylpolitik.