Albrecht Weinberg

Bundestagsvotum zu Migration Holocaust-Überlebender gibt Verdienstkreuz zurück

Stand: 30.01.2025 16:26 Uhr

Mit den Stimmen der AfD wurde ein Unionsantrag zur Verschärfung der Migrationspolitik verabschiedet. Ein Holocaust-Überlebender zieht nun Konsequenzen und will sein Bundesverdienstkreuz zurückgeben.

Der Holocaust-Überlebende Albrecht Weinberg will sein Bundesverdienstkreuz zurückgeben. Grund ist die gestrige Zustimmung des Bundestags zu einem Fünf-Punkte-Plan der Union für eine Verschärfung der Migrationspolitik. Ein entsprechender Antrag fand unter anderem mit den Stimmen der AfD eine Mehrheit.

Weinberg zeigte sich schockiert über das gestrige Ergebnis. Es sei eine spontane Entscheidung gewesen, das Bundesverdienstkreuz zurückzugeben, das eine hohe Ehre für ihn sei. "Es ist zu schwer geworden, es zu tragen, wenn man solche Nachrichten hat. Furchtbar", sagte der 99-Jährige der Nachrichtenagentur dpa.

Auch der Mannheimer Fotograf Luigi Toscano, der sich wie Weinberg für ein NS-Gedenken engagiert, möchte es ihm gleichtun. Er werde die ihm 2021 verliehene Ehrung zusammen mit Weinberg bald an Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zurückgeben. "Entweder empfängt uns der Bundespräsident, oder wir werfen es bei ihm in den Briefkasten", sagte er.

Fünf-Punkte-Plan der Union

Die Union hatte am Mittwoch ihren Fünf-Punkte-Plan für eine schärfere Migrationspolitik knapp mit Stimmen von AfD, FDP und Fraktionslosen durch den Bundestag gebracht. Erstmals beschaffte die AfD dabei im Plenum eine Mehrheit.

Am morgigen Freitag soll das Parlament über einen Gesetzentwurf der Union zur Eindämmung der Migration abstimmen. Neben der AfD signalisierten bereits FDP und BSW ihre Zustimmung.

Letzte Zeitzeugen der NS-Zeit

Weinberg überlebte die drei Konzentrationslager Auschwitz, Mittelbau-Dora, Bergen-Belsen und mehrere Todesmärsche. Seine jüdische Familie wurde von den Nazis fast vollständig ermordet. 2012 kehrte er zusammen mit seiner Schwester aus den USA zurück in seine ostfriesische Heimat. Seitdem geht er in Schulen und berichtet Schülerinnen und Schülern von seinen Erinnerungen.

Das will er auch weiter tun. "Ich gehe in den letzten zehn Jahren in Schulen und spreche zu Schülern, was sein kann und was würde sein, wenn die die Macht wieder übernehmen", sagte Weinberg mit Blick auf die AfD. "Die haben ja keine Ahnung, wie das ausgesehen hat '45 Deutschland." Er hoffe, dass die Menschen zur Vernunft kommen.

Einsatz für Demokratie

Der Fotograf und Filmemacher Toscano macht mit dem Erinnerungsprojekt "Gegen das Vergessen" die Schicksale der Überlebenden öffentlich. "Die Probleme, die wir haben mit der Migration, wir wissen, dass sie da sind, aber die dürfen wir nicht mit den Steigbügelhaltern der Rechten lösen", sagte er weiter.

Er erwarte von Demokraten eigentlich hundertprozentigen Einsatz für die Demokratie. Was gestern passiert sei, habe damit nichts mehr zu tun.

"Tun Sie es nicht, Herr Merz"

Die Holocaust-Überlebende Eva Umlauf wandte sich in einem offenen Brief an Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz. Darin appellierte sie an Merz, das Gesetz zur Eindämmung der Migration am Freitag nicht gemeinsam mit der AfD zu beschließen. "Tun Sie es nicht, Herr Merz", heißt es in dem Brief, der auch der Nachrichtenagentur dpa vorliegt.

Umlauf war als Zweijährige ins NS-Vernichtungslager Auschwitz gebracht worden und wäre nach eigenen Worten heute nicht mehr am Leben, wenn ihr Zug nur drei Tage früher angekommen wäre. Sie forderte Merz auf: "Unterschätzen Sie die Rechtsextremisten nicht. Kehren Sie um auf dem Weg, den Sie am Mittwoch beschritten haben. Gehen Sie auf die anderen demokratischen Parteien zu, finden Sie Kompromisse."

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 30. Januar 2025 um 14:00 Uhr in den Nachrichten.