Lars Klingbeil und Friedrich Merz

Finanzpaket von Union und SPD Wie geht es weiter - und welche Erwartungen gibt es?

Stand: 15.03.2025 12:22 Uhr

Union und SPD mussten lange bangen, jetzt sieht es so aus, als könne ihr Finanzpaket im Bundestag bestehen. Wie fallen die Reaktionen der Verhandler aus und wie bewerten Länder, Kommunen und Wirtschaft die Einigung? Ein Überblick.

Wie bewerten die Beteiligten die Einigung?

Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katharina Dröge sagte, sie und ihre Co-Fraktionschefin Britta Haßelmann hätten es in den Verhandlungen mit CDU, CSU und SPD geschafft, "dass das Geld in die richtige Richtung gelenkt wird". Unionsfraktionschef Merz äußerte sich zufrieden mit dem Ausgehandelten.

SPD-Fraktionschef Lars Klingbeil erwartet nun einen "kraftvollen Anschub für Deutschland". Das Paket werde das Land für Jahre, wenn nicht Jahrzehnte nach vorne bringen. Im Interview mit RTL ließ Klingbeil zudem durchblicken, dass unter anderem Investitionen in die Deutsche Bahn angedacht sind.

Doch für Union und Sozialdemokraten stehen als mögliche Koalitionspartner nun auch schwierige Gespräche an. Denn dadurch, dass das Infrastruktur-Geld in zusätzliche Vorhaben fließen muss, müssen sie für alles andere Geld im normalen Haushalt finden - und wahrscheinlich an einigen Stellen einsparen.

Darauf dringt bereits die Union: "Das Investieren, das können wir mit diesem Sondervermögen machen. Aber die Aufgabe Reformieren und Konsolidieren, die liegt noch vor uns", sagte der Chef der CSU-Bundestagsabgeordneten, Landesgruppenchef Alexander Dobrindt, in den tagesthemen.

Das sei die Aufgabe für die Arbeitsgruppen in den Koalitionsverhandlungen. "Da muss auch deutlich eingespart werden und unser Land fitter gemacht werden." Die SPD wisse beispielsweise, dass beim Bürgergeld gespart werden müsse. Ähnlich hatte sich auch schon CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann geäußert.

Was sagen Länder und Kommunen?

Thüringens Ministerpräsident Mario Voigt (CDU) schlägt für die Verteilung der Gelder den sogenannten Königsteiner Schlüssel vor, der sich nach Steueraufkommen und Einwohnerzahl der Länder richtet. "Es braucht ein schlankes, einfaches Verfahren, das durch Vertrauen in die Länder und Kommunen geprägt ist", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

Beim Städte- und Gemeindebund gibt es eine "sehr klare Erwartung", dass die Länder einen Großteil der zusätzlichen Finanzmittel dann an die Kommunen weitergeben, wie Hauptgeschäftsführer André Berghegger (CDU) mitteilte.

"Was wir nicht brauchen, sind zusätzliche Förderbürokratie oder eine Einschränkung der Mittelverwendung. Städte und Gemeinden wissen sehr genau, welche Infrastrukturmaßnahmen bei Straßen, Schulen, Brücken oder sonstigen Bereichen prioritär angegangen werden müssen."

Der Präsident des Deutschen Landkreistages, Achim Brötel (CDU) fordert zudem vom Bund eine Verdreifachung des kommunalen Umsatzsteueranteils in einer Größenordnung von 11 bis 12 Milliarden Euro pro Jahr.

"Damit könnten die Landkreise, Städte und Gemeinden nämlich sehr viel mehr anfangen als mit einem großen Investitionsprogramm, bei dem der Bund die Bedingungen aufstellt und das möglicherweise dann noch nicht einmal die drängendsten kommunalen Bedarfe trifft", so Brötel in den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.

Geldwünsche der Kommunen für Sanierungen

Nadine Bader, ARD Berlin, tagesschau, 15.03.2025 20:00 Uhr

Wie sind die Reaktionen von Wirtschaft und Gewerkschaften?

Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) wertete die Einigung auf das Finanzpaket als ein positives Signal. Präsident Peter Adrian warnte aber: "Ohne konsequente Reformen bleibt die Wirtschaft schwach, und die zusätzlichen Kredite können sich zu einer enormen Belastung auftürmen." Nötig seien schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren. "Ohne mehr Tempo und Effizienz erreichen wir keinen Schub bei den öffentlichen wie privaten Investitionen - es steigen dann nur Preise und Kosten."

Der Präsident des Ifo-Instituts, Clemens Fuest, erklärte gegenüber der Welt: "Die Gefahr einer Zweckentfremdung der Kreditmittel wurde nicht gebannt, aber reduziert." Veronika Grimm vom Sachverständigenrat für Wirtschaft sieht die möglichen Koalitionspartner Union und SPD "unter großem Druck, wachstumsfördernde Strukturreformen zu beschließen." Die Voraussetzungen dafür seien nicht gut, wenn man alles mit Geld zukleistern könne, warnte sie ebenfalls in der Welt.

Siemens-Chef Roland Busch äußerte sich zurückhaltend zum Finanzpaket. Dies werde nicht reichen, um die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands zu stärken, erklärte der Chef von Deutschlands größtem Industriekonzern. Der gefundene Kompromiss lade dazu ein, mit dem neuen Geld Haushaltslöcher zu stopfen oder neue Konsumausgaben zu beschließen. "Beides darf nicht passieren."

Lobende Worte gab es dagegen von der Vorsitzenden des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Yasmin Fahimi, zu der Einigung in Berlin. "Die möglichen Koalitionäre müssen daraus jetzt ein überzeugendes Programm für sichere Beschäftigung und nachhaltige Wirtschaft machen. Wir werden weiter kritisch begleiten, dass dabei soziale Rechte und Sicherheit nicht infrage gestellt werden", erklärte sie.

Was ist geplant?

Union und SPD haben sich mit den Grünen darauf geeinigt, dass das Grundgesetz an mehreren Stellen geändert werden soll. Dies soll ermöglichen, dass Ausgaben für Verteidigung und Sicherheit nur noch bis zu einer Grenze von einem Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) unter die Schuldenbremse fallen, also etwa 44 Milliarden Euro. Alles darüber Hinausgehende soll beliebig aus Krediten finanziert werden dürfen. Nach oben gibt es keine Grenze.

Laut der Nachrichtenagentur dpa ist in dem Gesetzesentwurf festgehalten, dass die geplante Lockerung der Schuldenbremse auch für Ausgaben des Bundes für den Zivil- und Bevölkerungsschutz, die Nachrichtendienste, Cybersicherheit und die Hilfe für völkerrechtswidrig angegriffene Staaten gilt.

Außerdem sollen die Bundesländer mehr Spielraum für eigene Verschuldung bekommen: Zusammen sollen sie künftig Kredite in Höhe von 0,35 Prozent des BIP aufnehmen dürfen. 

Weiterhin ist ein Sondervermögen für Investitionen in Infrastruktur und Klimaneutralität geplant, das von der Schuldenbremse ausgenommen, mit 500 Milliarden Euro aus Krediten gefüttert werden und für zwölf Jahre zur Verfügung stehen soll. Die Investitionen aus dem Sondertopf sollen "für zusätzliche Investitionen" erfolgen: "Zusätzlichkeit liegt vor, wenn im jeweiligen Haushaltsjahr eine angemessene Investitionsquote im Bundeshaushalt erreicht wird", heißt es in dem Entwurf. 

Aus dem geplanten Sondervermögen gehen 100 Milliarden Euro an die Länder. Weitere 100 Milliarden sind für Klimaschutz und den klimafreundlichen Umbau der Wirtschaft vorgesehen. Laut der dpa sollen zudem die Worte "Klimaneutralität bis 2045" in den neuen Artikel 143h des Grundgesetzes aufgenommen werden. 

Wie geht es jetzt weiter?

Bevor überhaupt über die Verwendung der zusätzlichen Milliarden entschieden werden kann, muss das Finanzpaket noch durch den Bundestag und den Bundesrat. Zunächst tagt am Sonntag der Haushaltsausschuss des Parlaments und gibt eine Beschlussempfehlung für den Bundestag ab. Am Dienstag ist die Abstimmung im Plenum geplant.

Union, SPD und Grüne haben dort zusammen zwar die nötige Zweidrittelmehrheit - dafür müssen aber fast alle ihrer Abgeordneten auch zustimmen. Viele Parlamentarier des alten Bundestags sind im nächsten nicht mehr dabei. Es wird ihre letzte Abstimmung sein - und es ist denkbar, dass sie deshalb nicht wie sonst üblich entlang der Fraktionslinie abstimmen oder abwesend sind.

CDU-Chef Friedrich Merz zeigte sich allerdings zuversichtlich, dass der Puffer von 31 Stimmen ausreichen werde. Auf Seiten der Grünen habe es sehr viele positive Rückmeldungen von den eigenen Abgeordneten zum Verhandlungsergebnis gegeben, wie Co-Fraktionsvorsitzende Katharina Dröge sagte. SPD-Chef Lars Klingbeil teilte zudem mit, er sei "fest davon überzeugt", dass die SPD dem Paket zustimmt.

Zusätzlich zum Bundestagsbeschluss braucht die Grundgesetzänderung anschließend am Freitag mindestens zwei Drittel der Länderstimmen im Bundesrat. Sicher sind diese jedoch nicht. Einige Bundesländer fordern, dass die Länder mehr als die geplanten 100 Milliarden vom Infrastruktur-Topf abbekommen.

Außerdem können Bundesländer nur dann zustimmen, wenn ihre Regierungskoalition eine einheitliche Linie findet - also gegebenenfalls auch mit Linken, BSW und FDP. Auch die Freien Wähler in Bayern waren zuletzt nicht überzeugt.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 15. März 2025 um 09:00 Uhr.