Friedrich Merz
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Bundestags-Sondersitzung Kein leichter Stand für Merz

Stand: 13.03.2025 18:48 Uhr

Im Bundestag warb Schwarz-Rot wortreich um die politische Mitte, vor allem um die Grünen. Für CDU-Chef Merz ein Doppelspagat - mit Verhandlung auf offener Bühne und Rechtfertigung an die eigenen Reihen.

Eine Analyse von Corinna Emundts, tagesschau.de

Es ist 13:13 Uhr, als Friedrich Merz nach einer Dreiviertelstunde Bundestagsdebatte vermutlich in seinem neuen politischen Leben angekommen ist. Noch sitzt auf dem Platz an der Fraktionsspitze, er sieht sehr ernst und angespannt aus bei dieser ersten Bewährungsprobe als möglicher neuer Kanzler im Parlament. Dort sind noch die alten Mehrheiten vertreten, die Merz für sein erstes politisches Projekt nutzen will.

Doch der Noch-Unionsfraktionschef hat im Plenum keinen leichten Stand.

Dabei wollte die Union zusammen mit ihrem möglichen neuen Koalitionspartner SPD genau die bisherigen Mehrheitsverhältnisse mit der noch nicht geschrumpften grünen Fraktion nutzen, um die nötige Zweidrittelmehrheit für drei Grundgesetzänderungen zu gewinnen. Die neuen Mehrheiten werden für ihn noch komplizierter, dann müsste Merz dafür zusätzlich mit der Linkspartei reden.

Dröge arbeitet sich an Widersprüchen ab

Um 13:13 verhallt der Applaus der Grünen-Fraktion für eine teilweise höhnische, zuweilen sehr lebhafte Rede im Deutschen Bundestag: Die Co-Chefin der Fraktion, Katharina Dröge, hat Merz verbal seziert - mit seinen Widersprüchen zur Schuldenbremse und dem bisherigem Verhandlungsangebot: "Sie haben die Wahl, Herr Merz!", ruft sie und meint damit, er könne ja dem Grünen-Antrag zur Ausnahmeregelung für Verteidigungsausgaben zustimmen. Hier sähe man die Dringlichkeit.

Da schwant ihm womöglich schon, dass auch das Angebot, das er gleich in seiner eigenen Rede den Grünen bekannt geben will, nicht reichen wird.

Mit dem heutigen Tag stehe die Zustimmung der Grünen zum vorgelegten Gesamtpaket von Schwarz-Rot weiter in Frage, sagt später auch die andere grüne Co-Fraktionsvorsitzende, Britta Haßelmann: "Angebote, Herr Merz, macht man nicht auf Mailbox und nicht im Plenum." Da schwingt Unmut mit.

Die Grünen fühlen sich bisher nicht ausreichend ernst genommen. Die Union behandle sie, als sei Klimaschutz ihr Privatvergnügen. In die ersten Vorgespräche zu den Grundgesetzänderungen, für die Schwarz-Rot nun ihre Zustimmung braucht, waren sie nach eigener Aussage nicht einbezogen.

Ein 50-Milliarden-Angebot an die Grünen

Bevor Union und Grüne im Plenum in dieser eigens anberaumten Sondersitzung aufeinandertreffen, hat es zwar zwischenzeitlich Gespräche gegeben, doch bisher ohne Ergebnis. Merz dachte vermutlich, mit seinem am Tag im Bundestags-Plenum frisch vorgelegten Angebot habe er die Grünen endgültig in der Tasche: 50 Milliarden Euro sollen über den Klima- und Transformationsfonds aus dem geplanten Sondervermögen zu Infrastruktur auf zwölf Jahre gestreckt in den Klimaschutz gehen.

Doch die Grünen bleiben hartnäckig. Noch verhandle man weiter - auf einen Erfolg hin und nicht aufs Scheitern, heißt es am Rande des Plenums.

Dass Merz gleichzeitig in seiner Rede behauptete, man repariere mit den 50 Milliarden das, was die Ampelkoalition in drei Jahren nicht geschafft habe, wirkt seinerseits zumindest taktisch unklug.

Für einen, der Scholz als Kanzler noch zurief: "Sie können es nicht!", wirkt der neue Merz wenig kämpferisch, eher zuweilen flehend Richtung Grüne: "Ist Scheitern eine ernsthafte Option?"

Der Tag der monumentalen Sprüche

Wie auch der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt argumentiert er mit der Einheit und Einigkeit der demokratischen Mitte, die es jetzt brauche. Es ist der Tag der monumentalen Sätze in diesem Parlament: Von Krieg und Frieden, von einer Epochenwende ist die Rede, vielleicht vergleichbar nur mit der Debatte am Tag der "Zeitenwende"-Rede des Noch-Bundeskanzlers Olaf Scholz drei Jahre zuvor.

"Wenn die Geschichte anklopft, dann muss man die Tür öffnen, weil man nicht weiß, ob es noch eine zweite Chance gibt" - mit diesen Worten etwa schließt Klingbeil seine Rede. Doch Union und SPD haben einige Mühe, stringent zu begründen, weswegen es neben der Stärkung der Finanzen für Verteidigung und Sicherheit dieselbe Dringlichkeit gibt, einen großen Infrastrukturfonds noch mit der alten Mehrheit zu beschließen und nicht auf den neuen Bundestag zu warten.

Es geht um Zustimmung auch in den eigenen Reihen

Die drei Parteien starten nun in Koalitionsgespräche und benötigen dafür aus ihrer Sicht mehrere Grundgesetzänderungen zu den Staatsfinanzen - und eben nicht nur mehr Geld für Verteidigungsausgaben.

Es ist Merz anzumerken, dass er hier auch um Zustimmung in den eigenen Reihen wirbt. Er geht auf den Vorwurf des Wortbruchs von sich aus ein. Später wirft ihm das die FDP im Plenum vor, aber auch die AfD. Eine Steilvorlage für in Teilen rechtsextreme Partei, die in der Debatte die Union als Hauptgegner ausgemacht hat: "Wer CDU wählt, kriegt linksgrüne Politik serviert", sagt AfD-Co-Fraktionschefin Alice Weidel.

Mit Kritik von Linkspartei, BSW und AfD mag Merz gerechnet haben. Dass er sich jetzt jedoch in einer politischen Lage befindet, in der die FDP ihm eine verfehlte Wirtschaftspolitik und Wahlbetrug vorwirft und die Grünen nicht ganz seiner Verhandlungslogik folgen wollen, das schmerzt - das ist deutlich zu spüren.

Das hat Merz sich vermutlich sehr viel leichter vorgestellt.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 13. März 2025 um 17:00 Uhr.