Studie zu Eintrittsalter Späte Rente - früherer Tod?
Wer später in Rente geht, lebt potenziell kürzer - so das Ergebnis einer internationalen Studie. Doch es gibt große Unterschiede zwischen den Berufsgruppen - und Lösungen, die allen Menschen helfen könnten.
Die OECD erwartet, dass die Zahl der Rentenbezieher pro Arbeitnehmer bis 2050 um 50 Prozent steigen wird. Die Politik reagiert auf die zunehmenden Kosten mit Rentenreformen - dabei ist die Anhebung des Mindesteintrittsalters für den Ruhestand eine beliebte Maßnahme. Politisch ist es also erstrebenswert, wenn wir später in Rente gehen, denn dann zahlen wir länger in die Rentenkasse ein und erhalten erst später Geld daraus.
Das scheint angesichts der demografischen Entwicklung in Deutschland kaum anders machbar. Doch eine deutsch-spanische Studie unter Federführung des EPoS Research Center an der Universität Mannheim hat nun belegt: Wer später in Rente geht, lebt potenziell kürzer.
Späterer Renteneintritt kann Sterblichkeit erhöhen
Das gemeinsame Forschungsteam der Universitäten Barcelona und Mannheim hat untersucht, ob es zwischen Sterblichkeit und Renteneintrittsalter einen Zusammenhang gibt. Und es konnte empirisch nachweisen, dass ein späterer Renteneintritt die Sterblichkeit erhöht. Dabei haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf Sozialversicherungsdaten aus Spanien zurückgegriffen.
Dort gab es eine Rentenreform, die das Eintrittsalter von 60 auf 65 Jahre angehoben hat. Wer vor dem 1. Januar 1967 Beiträge in das Rentensystem eingezahlt hat, konnte freiwillig mit 60 in Rente gehen, alle anderen mussten bis zum Alter von 65 Jahren warten. Han Ye von der Universität Mannheim erklärte dazu gegenüber dem SWR, dass "eine Verzögerung des Renteneintritts um ein Jahr das Sterberisiko im Alter zwischen 60 und 69 Jahren um 4,2 Prozentpunkte erhöht hat. Das entspricht einem relativen Anstieg von 43 Prozent."
Ergebnisse auf Deutschland übertragbar
Durch die Verschiebung des Renteneintrittsalter von 60 auf 65 Jahre steigt das Sterberisiko also mit jedem Jahr, das länger gearbeitet wird. Das trifft vor allem bestimmte Gruppen: So war der Anstieg der Sterblichkeit am stärksten bei Beschäftigten in Branchen, in denen es regelmäßig zu einer hohen Anzahl von Arbeitsunfällen kommt - zum Beispiel im Bausektor.
Außerdem war die Sterblichkeit bei Personen besonders hoch, die in Berufen mit hoher psychosozialer Belastung arbeiten, die also einem hohen Maß an psychischem und sozialem Stress ausgesetzt sind. Die Ergebnisse aus Spanien seien gut auf Deutschland übertragbar, versichert Wirtschaftswissenschaftlerin Han Ye.
Erfolgserlebnisse können Gesundheit schützen
Doch wie geht das zusammen mit den zahlreichen Studien, die zeigen, dass ein längeres Verbleiben im Job positiv auf die geistige Fitness wirkt und die Menschen so jung erhält? Wirtschaftswissenschaftlerin Han Ye sagt, das sei kein Widerspruch. Aber diese positiven Auswirkungen eines späteren Renteneintrittes kämen eher bei Menschen mit höherem Qualifikationsniveau zum Tragen.
Außerdem komme es dabei stark auf das Arbeitsumfeld der einzelnen Personen an: "Für Menschen, die an ihrem Arbeitsplatz Erfolgserlebnisse und Anerkennung spüren, hat ein späterer Renteneintritt häufig keine negativen Auswirkungen auf die Sterblichkeit."
Gerade die Arbeitsbedingungen in den letzten Beschäftigungsjahren spielen nach dieser Auswertung eine wichtige Rolle für die Lebenserwartung. Dabei sind neben der körperlichen und psychosozialen Belastung, der Selbstwert der Arbeit und das Qualifikationsniveau entscheidende Faktoren.
Flexibler Rentenantritt senkt Sterberisiko
Die Forschungsgruppe warnt, ein pauschales späteres Renteneintrittsalter verschärfe die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Ungleichheiten bei der Lebenserwartung. Einen Ausweg bietet der schrittweise Übergang in den Ruhestand. Genau das haben in Spanien zahlreiche Menschen versucht, sie hatten zunächst eine Teilrente beantragt. Und unter diesen Teilrentnern war die Sterblichkeitsrate deutlich niedriger.
Forscherin Han Ye aus Mannheim betont, dass politische Entscheidungsträger die Folgen für Gesundheit und Sterblichkeit berücksichtigen sollten, wenn sie Vorruhestandsoptionen abschaffen würden. Eine mögliche Lösung sei die Möglichkeit, in Altersteilzeit zu arbeiten. Außerdem empfiehlt die Forschungsgruppe, eine weitere Anhebung des Rentenalters grundsätzlich mit einer besseren Gesundheitsvorsorge zu koppeln.