
Rede von Trump vor US-Kongress Ein Präsident, der im Wahlkampfmodus bleibt
Von den guten Sitten bei der traditionellen Rede des US-Präsidenten vor dem Kongress ist in diesem Jahr nichts mehr übrig. Die Demokraten protestieren lautstark gegen Trumps Ansprache voller Angriffe.
US-Präsident Donald Trump hat gut sechs Wochen nach seinem Amtsantritt in seiner Rede vor dem US-Kongress harte Töne angeschlagen. Sie war gespickt mit Eigenlob und Angriffen auf politische Gegner. Auch die anwesenden Demokraten zeigten Trump nicht den traditionellen Respekt für den Präsidenten. Die fünf wichtigsten Erkenntnisse aus seiner Rede:
Offenbar doch Friedensverhandlungen mit Ukraine
Der aus europäischer Sicht wohl wichtigste Moment der Rede kam erst nach fast anderthalb Stunden. Und entgegen allen Gerüchten und Befürchtungen erklärte Trump nicht, dass er jetzt seine Ambitionen als Friedensstifter komplett aufgegeben habe. Oder gar aus der NATO austreten werde.
Im Gegenteil: Der Eklat im Weißen Haus vergangenen Freitag, als er den ukrainischen Präsidenten noch undankbar und respektlos gescholten hatte, wurde nicht mal mehr erwähnt. Stattdessen zitierte Trump ausführlich aus einem Brief von Wolodymyr Selenskyj. Der sei jetzt zu Verhandlungen bereit. Und zur Unterzeichnung des Rohstoffabkommens.
Aus Moskau habe er ähnliche Signale bekommen, so Trump: Auch Russland sei zu Frieden bereit. "Es ist Zeit, das sinnlose Kämpfen zu beenden", so der Präsident. Aber nach wie vor bleibt offen, wie genau er das anstellen will und ob Europa da eine Rolle spielen soll.
In Richtung der Europäer klagte Trump nur, dass sie mehr Geld in Energieimporte aus Russland gesteckt hätten als in die eigene Verteidigung. Und der Republikaner behauptete erneut, dass die USA Hunderte Milliarden mehr für Ukraine-Hilfen ausgegeben hätten. Eine seiner vielen Unwahrheiten und Übertreibungen an diesem Abend.
Trump lobt sich selbst und Musk
Kaum eine Maßnahme in Trumps bisheriger kurzer zweiter Amtszeit hat in den USA für so viel Sprengstoff gesorgt wie die Einrichtung von DOGE, dem sogenannten Ministerium für Regierungseffizienz und dessen Gallionsfigur Elon Musk. Und zumindest aus der einen Hälfte des Saales - wo die Republikaner saßen - gab es viel Applaus für den Tech-Milliardär, der zur Feier des Tages tatsächlich einen Anzug trug.
In den vergangenen Wochen hat DOGE dafür gesorgt, dass Zehntausenden Regierungsmitarbeiterinnen und -mitarbeitern gekündigt wurde, etwa im Entwicklungshilfeministerium und im Ministerium für Veteranen. Umfragen zeigen: Sehr viele Amerikaner sind unzufrieden mit diesem Kahlschlag und Musks Rolle.
Trump erwähnte die Entlassungen mit keinem Wort. Stattdessen referierte er minutenlang eine grotesk anmutende Liste von Beispielen von Geldverschwendung, die Musk und seine jungen Tech-Mitarbeiter gestoppt hätten. Beispielsweise habe die Biden-Regierung acht Millionen Dollar dafür ausgegeben, "Mäuse transgender" zu machen. Außerdem erklärte Trump, es gebe Tausende Sozialhilfeempfänger, die weit über 120 Jahre alt seien. In einem Fall sogar 369 Jahre, "älter als die Republik", so Trump zum Grölen seiner Anhänger im Saal. Tatsächlich handelt es sich um Karteileichen, bei denen das Todesdatum nicht feststeht. Leistungen bekommen sie selbstverständlich nicht.
Trumps Lobeshymne auf DOGE und Musk, der weder gewählt noch vom Senat bestätigt ist, gipfelte in dem unfreiwillig ironischen Satz: "Die Zeit der Herrschaft von nicht gewählten Bürokraten ist vorbei."
Trump verspricht niedrigere Preise
Für die meisten Amerikaner sind die nach wie vor hohen Lebenshaltungskosten das wichtigste Thema. Und laut Umfragen würden sie sich wünschen, dass ihr neuer Präsident mehr unternimmt, um sie zu senken. Viele haben ihn genau deshalb gewählt. Aber wer auf die Verkündung schneller Lösungen gehofft hatte, wurde enttäuscht.
Zwar versprach der Präsident erneut, die Lebenshaltungskosten zu senken. Aber die Maßnahmen, die Trump verkündete, dürften erst in einigen Jahren greifen. Oder das Gegenteil bewirken. Beispielsweise erklärte Trump, er werde die Energiepreise durch neue Bohrlizenzen senken, getreu dem Wahlkampfversprechen "Drill, Baby, Drill". Aber die Erschließung neuer Gas- und Ölvorkommen dauert.
Außerdem versprach Trump erneut, dass die Zölle, die er schon jetzt auf Waren aus Kanada, Mexiko und China erhebt, zusätzliches Geld in die Staatskasse spülen würden - und so geplante Steuersenkungen für die Amerikaner gegenfinanziert werden können. Aber Wirtschaftsexperten gehen davon aus, dass Trumps Zölle die Preise für amerikanische Verbraucher erstmal in die Höhe treiben werden. Das gab sogar Trump in seiner Rede zu.
Trump immer noch im Wahlkampfmodus
Die Rede dauerte eine Stunde und 40 Minuten - inklusive Applaus und Unterbrechungen. Sehr lang, selbst für Trumps Verhältnisse und die längste im Kongress seit 60 Jahren. Wer den Präsidenten im Wahlkampf erlebt hatte, dem kam das meiste sicher bekannt vor. Von Tiraden gegen kriminelle Migranten und die Nachbarländer Kanada und Mexiko, die nicht genug gegen Fentanyl-Schmuggel unternehmen würden, bis hin zum angeblichen Irrsinn einer "woken Politik", die Transmenschen die Teilnahme an Sportwettkämpfen erlaubt.
Trump konnte in vielen Punkten aus dem "werde" ein "habe" machen: ob nun beim Ausstieg aus der WHO oder der Umbenennung des Golfs von Mexico in den "Golf von Amerika". Oder der Anordnung, dass es in den Augen der Regierung nur noch Männer und Frauen gibt. Auch Grönland steht weiter auf Trumps Wunschliste: "Wir werden es bekommen. Auf die eine oder andere Weise", so der Präsident.
Obwohl sein Vorgänger Joe Biden sich längst in den Ruhestand verabschiedet hat, ist Trump noch nicht mit ihm fertig. Schon zehn Minuten nach Beginn der Rede schimpfte er den Demokraten "den schlechtesten Präsidenten in der Geschichte der USA" und machte ihn verantwortlich für den angeblich katastrophalen Zustand der Wirtschaft und die hohe Inflation.
Die Nerven bei den Demokraten liegen blank
Jahrzehntelang galt bei Präsidenten-Reden im Kongress parteiübergreifend: Gute Gastgeber sein, Zuhören und sogar Klatschen, wenn man nicht ganz überzeugt ist. Damit ist es wohl endgültig vorbei. Noch bevor Trump zu sprechen begann, hielt die demokratische Abgeordnete Melanie Stansbury ein Schild mit der Aufschrift "Das ist nicht normal" in die Kameras. Kurz darauf wurde der demokratische Abgeordnete Al Green wegen ständiger lauter Zwischenrufe aus dem Saal verbannt.

Al Green wurde wegen seiner Zwischenrufe des Saals verwiesen.
Seine Parteigenossen, viele der demokratischen Abgeordneten in feministischem Pink, schwenkten während der Rede Schilder, auf denen unter anderem "Falsch" und "Musk stiehlt" stand. Viele Demokraten brachten es nicht mal über sich, den Gästen von Trump im Publikum zu applaudieren. Unter ihnen ein krebskranker, 13-jähriger Junge und die 96 Jahre alte Mutter eines Mannes, den Trump aus russischer Gefangenschaft befreien konnte.
So frenetisch der Applaus und die stehenden Ovationen seiner Anhänger auch waren: Immer wieder wurde der Präsident von Unmutsrufen der Demokraten unterbrochen. Was Trump wohl weiter animierte, umgekehrt zu provozieren. Etwa indem er auf die Reihen der Demokraten zeigte und sie als "radikale linke Spinner" beschimpfte.
Ob die Demokraten sich durch ihre Störaktionen einen Gefallen getan haben, ist fraglich. Nach Trumps letzter Rede 2020 im Kongress hatte die damalige Chefin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, sein Manuskript genüsslich zerrissen. Viele warfen ihr daraufhin Respektlosigkeit vor dem Amt vor.