Nach Angriff in Aschaffenburg Was hinter den Merz-Vorschlägen steckt
Als Reaktion auf die tödliche Gewalttat in Aschaffenburg hat CDU-Chef Merz bereits Maßnahmen angekündigt. Dabei sendet die Union auch Signale an mögliche Koalitionspartner. Was sagen Experten zu dem Vorstoß?
Erst Solingen, dann Mannheim, im Dezember Magdeburg und jetzt Aschaffenburg - nach dem tödlichen Angriff auf ein Kleinkind und einen jungen Helfer steht wieder ein Täter im Fokus, der in Deutschland Schutz gesucht hat.
Es sind nur noch wenige Wochen bis zur Wahl. Handlungsdruck dürften alle Parteien verspüren. Migration und innere Sicherheit sind für viele Menschen in Deutschland die zentralen Themen.
Zur Not auch mit der AfD
CDU-Chef Friedrich Merz, der Kanzlerkandidat der Union ist, will noch vor der Wahl handeln und die Migrations- und Flüchtlingspolitik zum Thema im Bundestag machen. Auch wolle man Vorschläge sofort zur Abstimmung stellen und zwar unabhängig davon, wer zustimmen könnte - gemeint ist etwa die AfD. Völlig ungewöhnlich ist es nicht, dass die Partei den Unionsanträgen zustimmt, doch diese offene Kommunikation ist es durchaus.
Eine Mehrheit im Parlament haben aber Union und AfD nicht. Bislang signalisierte neben der AfD nur offen das Bündnis Sahra Wagenknecht, den Vorschlägen zuzustimmen. Damit bleibt noch unklar, ob die Union ihre Anträge so schnell abgestimmt bekommt. CSU-Chef Markus Söder sagte: "Im Übrigen erwarte ich doch, dass sich die Frage der AfD gar nicht stellt. Ich gehe davon aus, dass Grüne und SPD zustimmen müssen."
Die Botschaften der Union dürften durchaus als Hinweis an die Adresse von SPD, Grüne und FDP verstanden werden: Wer mit uns koalieren will, muss mitmachen.
Nach Ansicht der Grünen haben die Initiativen der Union jedoch "keine Abschlussperspektive mehr", wie Fraktionsgeschäftsführerin Irene Mihalic dem ARD-Hauptstadtstudio mitteilte. "Es ist daher wohl eher blanker Populismus, den Menschen zu suggerieren, dass da noch was kommt."
Bundespolizei soll Haftbefehle beantragen
Was die Union noch vor der Wahl durchbringen möchte, wäre eine neue Befugnis für die Bundespolizei. Sie solle Haftbefehle beantragen können. In Deutschland sind grundsätzlich nur Staatsanwaltschaften dazu ermächtigt. Die Polizei darf lediglich festnehmen, wobei der Festgenommene nach einer bestimmten Frist wieder auf freien Fuß zu setzen ist.
Entsprechend knapp fällt hier der Kommentar der SPD in ihrer Kurzbewertung der Merz-Vorschläge aus, die dem ARD-Hauptstadtstudio vorliegt: "In Deutschland kann keine einzige Polizeibehörde (!) einen Haftbefehl beantragen."
Merz für vollständige Grenzkontrollen
Ausformulierte Vorschläge liegen noch nicht vor. Aber Friedrich Merz hatte in der Vergangenheit oft deutlich gemacht, dass er in erster Linie irreguläre Migration nach Deutschland unbedingt stoppen will. So äußerte er sich auch kurz nach dem tödlichen Anschlag in Aschaffenburg. Seine erste Amtshandlung als gewählter Kanzler: vollständige Grenzkontrollen. Dafür würde er auch das Bundesinnenministerium anweisen.
"Nach dem Schengener Grenzkodex sind Kontrollen inzwischen bis zu zweieinhalb Jahre zulässig, wenn eine Gefahr für die innere Sicherheit besteht", erklärt der Migrationsexperte Daniel Thym gegenüber tagesschau.de.
Innenministerin Nancy Faeser hatte die Kontrollen in 2024 bereits ausgeweitet. Umfasst von dieser Maßnahme ist allerdings nicht die Zurückweisung an der deutschen Grenze, ohne vorherige Prüfung des Schutzsuchenden. Das ist aber für Merz zentral, der alle Personen ohne zulässige Einreisepapiere nicht ins Land lassen will.
Zurückweisung von Schutzsuchenden
Für die SPD ist das klar europarechtswidrig, wie es aus ihrer parteiinternen schnellen Bewertung hervorgeht: "Es gibt auf europäischer Ebene ein konkretes festgelegtes Verfahren zur Bestimmung der Zuständigkeit für Asylsuchende." Damit ist die noch geltende Dublin-III-Verordnung gemeint. Danach muss zumindest die Zuständigkeit geprüft werden, welches Mitgliedsland das Asylverfahren durchzuführen hat, um dann eine formelle Überstellung in dieses Land einzuleiten. Mitunter kein schneller Prozess und in praktischer Hinsicht scheitert es oft an der Bereitschaft einiger EU-Staaten, die Geflüchteten aufzunehmen - Italien etwa.
"Das Argument, das aus der Union häufiger zu hören ist, die Verordnung funktioniere ja nicht und müsse daher auch nicht mehr angewendet werden, ist sehr theoretisch", gibt auch Migrationsexperte Thym zu bedenken. "Im Dezember '24 hat der Europäische Gerichtshof jedenfalls ganz selbstverständlich die Dublin-Verordnung noch zu Grunde gelegt", so Thym weiter. Mehr ginge nur über einen nationalen Notstand.
Winfried Kluth, ehemaliger Verfassungsrichter und jetziger Leiter des Lehrstuhls für öffentliches Recht an der Universität Halle sagt: "Ein solcher Notstand liegt derzeit nicht vor." Auch Thym ist kritisch: "Das Instrument hat bislang noch nie vor einem europäischen Gericht gehalten."
Dennoch könnte Merz diesen Weg einschlagen, wenn er denn tatsächlich nächster Bundeskanzler werden sollte und seine Koalitionspartner bereit sind, diesen Weg mitzugehen. "Eine Richtlinienkompetenz braucht es dafür dann nicht", sagt Kluth. Das liegt dann in der Hand derjenigen, die Friedrich Merz zum Kanzler wählen.